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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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als er Martin Atzert tatsächlich tot in einer Blutlache vor sich sah. Aus einer Wunde am Kopf sickerte es noch immer. Er war offensichtlich mit einer leeren Champagnerflasche erschlagen worden. Die lag direkt neben dem Toten.
    Dritter erschrak, als ihm das durch den Kopf ging, was allen durch den Kopf geht, die einen Menschen finden, den man offensichtlich ermordet hat: Jetzt werden sie dich für den Mörder
    halten.
    Doch Sekunden später hatte er begriffen, dass das der Moment war, bei dem die alten Griechen Kairos! ausgerufen hätten, die nie wiederkehrende Gelegenheit, die man beim Schopfe packen musste, wollte man sein Ziel erreichen. Die Sache war einfach genug: Wenn ER sich als Mörder des verhassten Kritikers zu erkennen gab, war ER in allen Medien und plötzlich kannte ganz Deutschland DAMIAN DRITTER und kaufte SEINE Romane. Widerrief er dann sein Geständnis, gab es noch einmal einen schönen Hype um ihn. Auch wenn er dreist wegen der Vortäuschung einer Straftat für anderthalb Jahre ins Gefängnis wanderte, war der Preis für seine eigentliche Menschwerdung nicht zu hoch.
    Er tupfte sich noch etwas Blut des Toten auf sein Hemd und riss sich ein paar Haare aus, um sie neben dessen rechte Hand zu legen. Spuren des vorangegangenen Kampfes zwischen ihnen. Dann wischte er noch möglicherweise vorhandene Fingerabdrücke vom Hals der Champagnerflasche und hinterließ die eigenen.
    Gunnar Schneeganß war gerade einmal 36 Jahre alt und stolz auf die sagenhafte Karriere, die er schon hinter sich hatte. Er kam aus einfachen Verhältnissen, war nach dem Hauptschulabschluss zur Polizei gegangen, hatte sich von einer Besoldungsgruppe zu anderen hochgearbeitet und nebenbei an einer Abendschule das Abitur gemacht. Seine Beurteilungen waren so glänzend ausgefallen, dass man ihn als Kommissaranwärter zum Studium an die Fachhochschule geschickt hatte. Nach drei Jahren hatte er es geschafft und war als Beamter des gehobenen Dienstes zur Kripo gekommen. Wie viele Aufsteiger neigte er dazu, sich für den Größten zu halten, für ein einzigartiges Exemplar der Gattung Homo sapiens, und bei jeder Handlung inszenierte er sich: immer schnoddrig, immer witzig, immer Alphatier. Prächtig gestylt war er, gab ständig den Macho, wenn auch selbstironisch, und glaubte, ein legitimer Erbe des großen Ernst Gennat zu sein.
    Eugen Grätz stand kurz vor seiner Pensionierung als Kriminalhauptwachtmeister und war nur noch auf Schonung bedacht. Es war ein entsetzlicher Gedanke, jetzt noch ernsthaft krank zu
    werden oder gar im Dienst angeschossen oder gar erschossen zu werden. Er war mit sich und der Bilanz seines Lebens höchst unzufrieden. Seine Frau warf ihm vor, zunehmend verbittert zu sein, er selbst aber hielt sich für einen heiteren Menschen, und wenn er manchmal zynisch erscheine, dann läge das einzig und allein daran, dass er Theo Sarrazin ein wenig ähnlich sah
    Die Mordkommission, in der Schneeganß und Grätz arbeiteten, war die Aufgabe zugefallen, den Mord an Martin Atzert aufzuklären. Sein Freund Patrick hatte ihn leblos aufgefunden und
    110 angerufen
    „Ich war nur eben mal unten, eine Zeitung kaufen. Er hat sich immer so gerne selbst gelesen.“
    „Wir haben ihn auch gern gelesen“, sagte Schneeganß. Er als Mann der Wirklichkeit verabscheute Kriminalromane und hatte sich immer gefreut, wenn MacÄtz das, was an Deutschsprachigem auf den Markt kam, mit Hohn und Spott bedachte.
    „Nach dem Täter werden wir wohl nicht lange suchen müssen, denn wenn die betroffenen Schreiberinnen und Schreiber das zur Kenntnis genommen haben, was er über sie verbreitet hat, da müssen doch automatisch Mordgedanken bei ihnen aufgekommen sein.“
    Grätz unterstrich das, indem er in die Mottenkiste alter Sprüche griff. „Macht kaputt, was euch kaputt macht.“
    Martin Atzerts Freund schüttelte den Kopf. „Nein, Morddrohungen hat er keine bekommen, nicht mal üble Beschimpfungen, denn die von ihm kritisierten Autoren und Autorinnen wollten sich keine Blöße geben, sondern zeigen, dass sie über allem stehen. Auf ihn zu reagieren, so ihr Kalkül, hätte ihn nur noch allmächtiger werden lassen und bei ihm als Sadisten Freude ausgelöst. Das ist so die Haltung: Was kümmert es den Mond, wenn ihn die Hunde anbellen.“
    Schneeganß dachte ein Stückchen weiter. „Wer zurück rotzt, der erleichtert sich, wer aber immer alles einsteckt, der entwickelt sich zu einer tickenden Zeitbombe. Ich glaube schon, dass wir den Täter unter denen
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