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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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suchen sollten, denen er besonders stark zugesetzt hat.“
    Unbeirrbar wie ein Somnambuler lief Damian Dritter die Hildegardstraße hinunter. Durch nichts mehr war er jetzt noch aufzuhalten. Am Birger-Forell-Platz überquerte er die Blissestraße, strebte am St. Gertrauden-Krankenhaus vorbei der Mecklenburgischen
    Straße entgegen, um auf ihr den Heidelberger Platz zu erreichen und rechts in die Rudolstädter Straße abzubiegen. Dort, gleich hinter der Betonbrücke einer Zufahrt zur Stadtautobahn, lag sein Polizeirevier. Er stürmte hinein und drängte die Leute zurück, die am Schalter standen und warteten.
    „Ich möchte mich stellen!“
    Der Beamte, der gerade voll konzentriert auf seinen Bildschirm starrte und nach einer Adresse forschte, hatte ihn nicht richtig verstanden
    „Was wollen Sie wo hinstellen?“
    „Ich habe einen Mord begangen!“ schrie Dritter. „Eben. Am Bundesplatz. Ich habe den Atzert erschlagen, den Kritiker da, der …“
    Die Leute in der Schlange wichen zurück, so als hätten sie Angst, er würde sie im nächsten Augenblick als Geisel nehmen
    Jetzt sprang der Beamte auf, kam um den Tresen herum, packte ihn am Arm und führte ihn in einen Nebenraum. Schnell war ein Kollege herbei gerufen
    „Nun erzählen Sie mal von Anfang an.“
    Dritter tat es so überzeugend, dass man ihn der Mordkommission zuführte, und auch die Herren Schneeganß und Grätz zweifelten nicht mehr an seiner Täterschaft, als die harten Fakten bekannt wurden: Das Blut des Ermordeten an seinem Hemd, die Fingerabdrücke auf der Tatwaffe und die herausgerissenen Haare zwischen den Fingern des Toten.
    Arina Brühwein war erschüttert, als sie den Bericht über den Mord am Bundesplatz in ihrer Morgenzeitung las. Sie rief sofort ihre Freundin Petra an
    „Irgendwie gebe ich mir die Schuld daran“, sagte sie. „Ich habe doch gewusst, dass er die berühmte tickende Zeitbombe ist. Seine narzisstische Unersättlichkeit! Jetzt ist sein Name in aller Munde, jetzt ist er endlich wer, jetzt ist er erlöst. Ich hätte es verhindern müssen!“
    „Quatsch! Wie denn? Höchstens im Verlauf der Therapie, aber nicht dadurch, dass du zur Polizei gerannt wärst: 'Da ist einer, der könnte …!' Die hätten dich doch für verrückt gehalten.“
    „Ja, schon, aber … Bei allen, die Kriminalromane schreiben, habe ich immer das Gefühl, dass sie verhinderte Mörderinnen beziehungsweise Mörder sind, dass sie ihre Täter im Roman nur stellvertretend für sich selber morden lassen. Und irgendwie muss doch in ihnen etwas Triebhaftes sein, das sie drängt, einmal wirklich und richtig zu morden. Nur so kann man doch wirklich authentisch sein!“
    Es sollten neun Monate bis zum Prozessbeginn vergehen. Damian Dritter hatte die U-Haft schadlos überstanden und in aller Ruhe an seinem neuen Roman gearbeitet. Seinem großen Auftritt vor Gericht fieberte er von Tag zu Tag mehr entgegen.
    Dann war es endlich soweit
    „Hiermit widerrufe ich mein Geständnis. Ich habe Martin Atzert nicht ermordet, er war schon tot, als ich in seine Wohnung gekommen bin. Ich habe mich nur der Tat bezichtigt, um endlich einmal in den Medien zu sein und von der Menschheit wahrgenommen zu werden. Damit alle meine Bücher kaufen.“
    Dritter hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass alle ihm Glauben schenken würden, denn Fakt war ja, dass er Martin Atzert nicht getötet hatte. Und die Berliner Kriminalpolizei war so gut, dass sie den wirklichen Täter über kurz oder lang überführen würde.
    Doch alles lief ganz anders. Die Mordkommission hatte den wirklichen Täter nicht ausfindig gemacht, der Gutachter bescheinigte ihm ein hohes Maß an Rachsucht, Zeugen hatten ihn kurz vor und nach der Tat am Bundesplatz gesehen, und der Vorsitzende Richter wie die Schöffen wollten seiner Version des Ganzen nicht folgen, so sehr ihn auch sein Anwalt unterstützte.
    „Umgekehrt ist es doch!“, rief der Staatsanwalt. „Ihre narzisstische Unersättlichkeit, Herr Dritter, war nicht ihr Motiv, sondern Sie benutzen sie jetzt, um sich herauszureden. Sie haben Atzert gehasst, weil er Sie nicht wahrgenommen hat, und als es deswegen zum Streit gekommen ist, haben Sie mit der leeren Sektflasche auf ihn eingeschlagen und ihn getötet. Nur so wird doch ein Schuh daraus.“
    Das Gericht folgte dem Antrag des Staatsanwalts und verurteilte Damian Dritter zu einer Haftstrafe von acht Jahren und sieben Monaten.
    Jemand hatte die B.Z. auf dem Stehtisch eines Bäckerladens liegen lassen, und so
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