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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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verzichtet. Nur wenn es um ihre Reisepläne ging, konnte sie tagelang diskutieren und machte ihm regelmäßig Vorwürfe, von wegen, er sei mit seiner Arbeit verheiratet.
    Der Urlaub wurde umgehend bestätigt. Die Kollegen gratulierten amüsiert. Sein Chef grinste.
    Drei Wochen vor Reisebeginn, glich das Wohnzimmer einem „Humana“ - Außenposten. Jede freie Stelle bedeckten Kleiderstapel. Die Urlaubsvorbereitungen endeten wie üblich mit dem Fiasko, den Inhalt mehrerer Kleiderschränke in zwei Koffern unterbringen zu wollen. Daraufhin wünschte sich Senfleben inbrünstig, dass ein Bombenattentat auf die Gethsemanekirche geplant sei, ein Serientäter Touristen im Mauerpark zu massakrieren gedachte oder zumindest eine zweifelhafte Kiezvereinigung Terroranschläge gegen schwäbische Migranten ankündigen würde. Nichts dergleichen geschah. Für Berlin war es ein ungewöhnlich ruhiger Juli. Kein Kapitalverbrechen. Nicht die geringsten fundamentalistischen Aktivitäten. Selbst Einbruchsdelikte waren auf ein Minimum reduziert.
    Keiner der Kollegen war bereit, einen Fall abzutreten. Sein Chef behauptete sogar, dass er schon viel zu lange an seinem Schreibtisch klebe und der Erholung bedürfe. Verzweiflung bemächtigte sich seiner. In nicht einmal drei Wochen würde der Flieger in Tegel starten.
    Als er alle Hoffnungen aufgegeben hatte und sich seinem Schicksal beugen wollte, zeigte der Zufall doch noch Mitleid. In die Nachbarwohnung zog ein neuer Mieter. Der Mann war freundlich, zurückhaltend und vermied jeden Augenkontakt. Für Senfleben eindeutig ein Indiz schlechten Gewissens. Wenn du dich schon nicht auf die üblichen Kriminellen verlassen kannst, meldete sich zaghaft ein Gedanke, vielleicht hilft es ja, den Nachbarn ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Kriminalhauptkommissar Günther Senfleben gefiel dieser Vorschlag.
    Der neue Mieter war Pflanzenliebhaber und seine Terrakottatöpfe schienen auch das Einzige zu sein, was ihn interessierte. Claudia bewunderte am Tag des Einzuges die üppigen Gewächse und meinte dann, sie würde gerne zu einem Erfahrungsaustausch vorbeischauen. Senfleben unterzog derweilen die Umzugskisten einer kritischen Begutachtung, prüfte unauffällig ihr Gewicht, versuchte die handschriftlichen Zimmerzuordnungen mit dem Grundriss der Wohnung abzugleichen und entdeckte zwischen Pappdeckeln eingeklemmt ein langes Haar. Seine Stirn legte sich in Falten. Der geübte Verstand fasste kurz zusammen: blond, weiblich, gefärbt und altersbedingt ausgefallen. Zufrieden mit seiner Entdeckung sicherte er in einem unbeobachteten Augenblick das vermeintliche Beweisstück.
    Der Mann hieß Müller und kam aus Franken oder Bayern. Genau ließ sich das nach den wenigen Worten, die sie gewechselt hatten, nicht bestimmen.
    Am nächsten Morgen begann er den Dienst früher als üblich. Seine erste Aktivität war das Studium sämtlicher Fahndungsaufrufe des süddeutschen Raumes. Müller wurde weder polizeilich gesucht, noch gab es andere Anzeichen auf kriminelle Machenschaften. Er rief im LKA Bayern an, fragte sich durch diverse Abteilungen und bekam schließlich den entscheidenden Tipp – Finanzamt. Dort erfuhr er den vollständigen Namen. Arne Müller. Vor drei Monaten Insolvenz angemeldet. Die Firma „Synthetische Industriegase A&S Müller“ produzierte von Acetylen bis zu flüssigem Stickstoff alles, was der Markt benötigt. Zwar habe die Firma pünktlich Steuern abgeführt, aber der wirtschaftliche Erfolg blieb aus.
    Derzeit finde eine Prüfung auf Insolvenzverschleppung statt. Das übliche Prozedere von Amts wegen. Eine Anzeige sei nicht anhängig. Verheiratet. Keine Kinder.
    Kriminalhauptkommissar Senfleben ertappte sich bei einem Lächeln. Sein Nachbar war ohne Gattin nach Berlin gezogen. Kein begründeter Anfangsverdacht, aber der ersehnte Strohhalm. Nachdenklich untersuchte er das gefundene Haar und versuchte sich vorzustellen, wie wohl der Rest dieser Frau aussehen mochte. Natürlich konnte er weder mit seinem Chef noch mit den Kollegen darüber reden. Unauffällig recherchierte er weiter.
    Arne und Sophie Müller hatten vor zwei Jahren geheiratet und die Firma gegründet. Das Kapital war als ihre Mitgift in die Ehe eingebracht worden. Dass das Geld ihrer Familie die Hochzeitspläne wenn nicht initiiert, so doch beschleunigt hatte, lag auf der Hand. Penibel legte er ein Dossier an.
    Angesichts der Aussicht, die Reise doch noch vermeiden zu können, begrüßte er seine Frau am Abend herzlich
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