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Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)

Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)

Titel: Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
Autoren: Sabina Altermatt
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trat einen Schritt auf Julia zu. Julia betrachtete ihre Lippen. Sie waren ganz blau.
    »Mein Herz.«
    »Wie bitte?« Julia trat einen Schritt zurück.
    »Die blauen Lippen. Es ist das Herz.«
    »Ach so.«
    »Maria, falls sich Frau Jansen bei Ihnen melden sollte, dann schicken Sie sie in die Stüva.« Ein groß gewachsener Mann stand hinter Julia. Er trug ein weißes Hemd, die Ärmel hatte er zurückgeschlagen.
    »Ich bin Julia Jansen.« Julia streckte ihm die Hand hin.
    Der Mann sah sie ungläubig an. »Bitte entschuldigen Sie. Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt.«
    »Wie denn?«
    »Vielleicht etwas größer? Und breiter?«, stotterte er.
    »Keine Sorge. Ich muss die Maschine nur reparieren und nicht herumschieben.« Julia lachte.
    »Ich bin Martin Stettler, der Baustellenleiter.«
    Er hatte einen festen Händedruck.
    »Hat Maria Sie schon eingeführt?«, fragte Stettler.
    Die Frau, die offenbar Maria hieß, zuckte mit den Schultern und trottete davon.
    »Das hier ist die Kantine. Hier essen die Mineure. Die Bauleitung trifft sich jeweils in der Stüva. Bitte folgen Sie mir. Es warten schon alle.« Er ging voraus durch einen schmalen Gang, der neben der Küche vorbeiführte. Sie kamen in einen mit neuer Täfelung ausgekleideten Raum. Die Tische waren aus Massivholz und mit einer dicken Schicht glänzendem Lack überzogen, vor den Fenstern hingen rot-weiß karierte Gardinen.
    Das also verstand man in der Schweiz unter Gemütlichkeit, dachte Julia. Ihr hatte die Nüchternheit der Kantine besser gefallen.
    Vier Personen saßen am runden Tisch in der Mitte des Raumes und sahen sie erwartungsvoll an. Alles Männer.
    »Entschuldigen Sie, ich habe Sie gar nicht gefragt. Können wir gleich anfangen? Oder müssen Sie sich erst noch etwas frisch …?«, fragte Stettler.
    »Wir können.« Julia setzte den Rucksack ab und kramte das Dossier hervor.
    Stettler stellte ihr die Anwesenden vor. Zuoberst saß der wichtigste Mann, der Vorsitzende der Bauherrschaft, Ernst Weibel von Transalpin . Er wirkte athletisch und hatte aufmerksame Augen, die ihm etwas Verschmitztes gaben. Zu seiner Linken saß der Vertreter der ARGE Cisalpin  – ein Zusammenschluss verschiedener Bauunternehmungen, eine Arbeitsgemeinschaft, die für den südlichen Bauabschnitt zuständig war: Direktor Jürg Lehner, ein kantiger, schmaler Mann mit spitziger Nase. Zu seiner Rechten der Bauleiter, Pietro Morettini, ein dunkelhaariger Mann, etwa in Julias Alter. Der vierte Mann musste Mitte dreißig sein: Remo Bergamin, Projektleiter und Ingenieur. Er hatte etwas Verkniffenes.
    Die Besprechung dauerte etwa eine halbe Stunde. Viel Neues konnte Julia nicht erfahren, das meiste war bereits telefonisch besprochen worden. Tunnelbohrmaschine Marta hatte von einer Sekunde auf die andere den Geist aufgegeben. Zwar drehte der Bohrkopf noch, doch die Vortriebsgeschwindigkeit war zusammengefallen und lag bei null. Die Maschine kam keinen Zentimeter mehr vorwärts.
    Marta war eine Tunnelbohrmaschine, die sich mit ihren Gripperplatten seitlich gegen die Tunnelwand verspannte. Gewaltige Hydraulikzylinder pressten den Bohrkopf mit hohem Druck an die Ortsbrust, die von den Schneidrollen zermalmt wurde. Mit jedem Bohrhub konnte sich die Maschine fast zwei Meter weit in den Fels fressen. Danach wurde der Bohrvorgang unterbrochen, die Gripperplatten gelöst, nach vorne gezogen und wieder neu verspannt. Das lange Hinterteil zog Marta wie einen riesigen Wurmfortsatz hintennach.
    Am besten funktionierte Marta in solidem Fels. Unerwartete Gesteinsschichten waren laut Stettler keine aufgetreten. Dass der Fels an dieser Stelle etwas zerklüftet war, hatten Sondierbohrungen ergeben. Grund für das Verharren am Ort war dies jedoch nicht. Auch die Förderbänder, auf denen das von den Rollenmeißeln vom Berg abgekratzte Bohrgut abtransportiert wurde, liefen einwandfrei.
    So wie es die Runde hier schilderte, musste irgendein Ventil kaputt sein. Der hydraulische Druck, der die Maschine vorwärtsschob, konnte sich nicht aufbauen. Die Frage war nur, welches der Ventile nicht mehr funktionierte. Typischerweise saßen weder die Maschineningenieure noch die Mechaniker oder der Maschinenfahrer am Tisch, sondern ausschließlich Bauingenieure, die nicht mit der Maschine arbeiteten. Dass sie von Tunnelbau eine Ahnung hatten, nicht aber von einer Tunnelbohrmaschine, konnte Julia ihnen jedoch nicht so einfach ins Gesicht sagen.
    »Meine Herren, ich schlage vor, dass ich einen Augenschein nehme und
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