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Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)

Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)

Titel: Bergwasser: Ein Schweiz-Krimi (German Edition)
Autoren: Sabina Altermatt
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Sitzes zu verstauen. Doch das Gepäckfach war nichts weiter als eine bessere Hutablage. Julia fluchte. Jetzt musste sie nochmals zurück zum Treppenaufgang. Da hatte sie eine Gepäckablage gesehen. Doch ein älteres Ehepaar mit einem hellen, zottligen Hund stand im Weg. Der Hund schnupperte interessiert an Julias Hose. Die drei warteten darauf, dass eine Frau, die ebenfalls darauf wartete, dass sich ihre Kinder hinsetzten, den Weg frei machte. Doch die Kinder stritten darum, wer in Fahrtrichtung sitzen durfte und welches überhaupt die Fahrtrichtung war. Schließlich wurde es der Mutter zu viel, sie packte den Kleinsten an den Oberarmen und hob ihn auf den Sitz, worauf sich die beiden Mädchen auch setzten. Das Ehepaar mit Hund ging ins Abteil gegenüber. Schnell bugsierte Julia ihren Rucksack zur Gepäckablage, bevor ihr wieder jemand entgegenkam. Doch die war bereits mit Rollkoffern und Taschen vollgepackt. Sie schleppte den Rucksack wieder zurück und stellte ihn auf ihren Nebensitz.
    »Ist hier noch frei?«, fragte kurze Zeit später ein junger Mann. Julia versuchte, freundlich zu nicken, und nahm das Ungetüm auf ihre Knie.
    An der nächsten Station stieg eine der Frauen in Julias Abteil aus. Julia platzierte den Rucksack auf dem frei gewordenen Sitz und lehnte sich zurück.
    Erst jetzt spürte sie, wie erschöpft sie war. War es die Arbeit? Sie wurden in den letzten Monaten regelrecht mit Bestellungen für neue Maschinen überflutet, und jeder Kunde hatte seine Spezialwünsche. Oder war es wegen Jan? Bedrückte sie ihr schlechtes Gewissen, dass sie ihn einmal mehr enttäuscht hatte? Oder war es die Energie, die sie brauchte, um wegzugehen? Von Jan? Von zu Hause? Wie eine Rakete, die zuerst die Erdanziehungskraft überwinden musste?
    Der Zug fuhr in einen Tunnel, und Julia spürte die Schläfrigkeit immer stärker. Sie lauschte dem regelmäßigen Klopfen, jeder Tunnel hatte seine eigene Abfolge von verschiedenen Lauten: klopfen, scheppern, dröhnen. Jeder hatte seine eigene Melodie, die je nach Wagenmaterial variierte.
    Beinahe wäre sie eingeschlafen, da verlangsamte der Zug sein Tempo. Bis er stillstand. Die Kinder im Abteil schräg gegenüber drückten die Nasen an die Scheiben.
    »Fährt der Zug noch?«, wollte eines der Mädchen von seiner Mutter wissen.
    »Ich glaube, wir stehen«, sagte die Mutter zu den Kindern.
    Der kleine Junge wurde unruhig. Die Mutter packte einen Apfel aus, machte Schnitze und verteilte sie.
    Das blaue Lautsprechersymbol der Durchsageanzeige begann zu blinken. »Vereht Fahrgäs … nische Panne … Wir bitt… Sie um …« Danach rauschte es nur noch in der Leitung.
    Julia schaute nach draußen, die Hände wie Scheuklappen an die Augen gelegt, doch sie konnte nichts sehen, das Innere des Abteils spiegelte zu stark. Plötzlich ging das Licht aus. Es war stockfinster. Nur das iPhone der Frau gegenüber leuchtete bläulich. Der kleine Junge fing an zu weinen, der Hund antwortete heulend. Die Mutter klappte ihr Handy auf.
    Julia griff im Dunkeln nach ihrem Rucksack und holte die Taschenlampe heraus. Doch sie funktionierte nicht. Hatte Jan nicht gesagt, er habe die Batterien ausgewechselt? Sie spähte nochmals nach draußen. Da war ein bläuliches Licht, das leicht flackerte. Vielleicht benutzten noch andere ihre Handys als Lichtquelle?
    Der Junge schien sich beruhigt zu haben. Es war nichts mehr zu hören. Auch der Hund hatte aufgehört zu jaulen.
    Julia saß da, ohne sich zu bewegen. Sie war hellwach, die Müdigkeit verschwunden.
    Nach einer Weile, sie konnte nicht sagen, ob es mehrere Minuten waren oder nur ein paar Sekunden, setzte sich der Zug mit einem Ruck in Bewegung, gleichzeitig ging das Licht wieder an. Die Mädchen kicherten, und der Junge rutschte vom Schoß seiner Mutter herunter.
    Als der Kondukteur vorbeikam, fragte ihn Julia nach der Ursache der Störung.
    »Ein Stromausfall.«
    »Hätte da nicht die Notbeleuchtung angehen sollen?«, entgegnete Julia.
    »Stimmt, das hätte sie«, sagte der Mann mit der roten Umhängetasche und ging weiter.

Die Präsenz der Transalpin war nicht zu übersehen. Bereits nach Mazzaselva waren die ersten Riesenplakate aufgestellt: Schneller durch die Schweizer Alpen – Transalpin.
    Kurz vor Repiano sah man die Innereien des Novai-Tunnels: Unzählige Kubikmeter Aushub hatte man bereits aus dem Berg geholt und zu Zwischendeponien aufgetürmt. Wie ein riesiger Darm, der sich über die Landschaft entleert hatte. Daneben stand die
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