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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden
Autoren: Jeffrey Archer
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sollte er Guy ins Gesicht blicken, der nächste Woche ganz gewiss rechtzeitig zu seinem Vorstellungsgespräch kommen würde? Wie die Reaktion seines Vater ausfallen würde, wusste er: Der erste Mallory seit vier Generationen, der nicht in Cambridge studieren würde. Und seine Mutter … würde er jemals nach Hause zurückkehren können?
    Stirnrunzelnd betrachtete er die schwere Eichentür, die ihm den Zutritt verwehrte, und erwog, ein letztes Mal anzuklopfen, aber er wusste, dass es zwecklos war. Er überlegte, ob es vielleicht irgendeinen anderen Zugang zum College gab, doch der Cam floss an der Nordseite entlang und bildete eine Art Festungsgraben, so dass kein anderer Eingang in Frage kam. Es sei denn … George starrte an der hohen Steinmauer empor, die das College umgab, und begann auf dem Gehweg auf- und abzuschreiten, als würde er eine Felswand begutachten. Er entdeckte mehrere Vorsprünge und Risse, die von 450 Jahren Eis, Schnee, Wind, Regen und Sonne geschaffen worden waren, bis er schließlich auf eine mögliche Route stieß.
    Oberhalb des Tores befand sich ein mächtiger, steinerner Bogen, dessen Kante nur eine Armlänge von einem Fenstersims entfernt war und der einen perfekten Standplatz abgeben würde. Oberhalb davon gab es ein weiteres, kleineres Fenster und noch einen Fenstersims, von wo aus er das geneigte Schieferdach erreichen könnte, das vermutlich auf der anderen Gebäudeseite genauso aussah.
    Er ließ seinen Koffer auf den Gehweg fallen – trage niemals unnützes Gepäck mit dir, wenn du einen Aufstieg versuchst. Dann setzte er den rechten Fuß in ein kleines Loch etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden, stieß sich mit dem linken Fuß vom Boden ab und packte einen vorstehenden Sturz, an dem er sich zum steinernen Torbogen hochziehen konnte. Mehrere Passanten blieben stehen, um seine Kletterpartie zu beobachten, und als er sich schließlich auf das Dach zog, belohnten sie ihn mit verhaltenem, kurzen Applaus.
    George nahm sich etwas Zeit, um die andere Seite der Mauer in Augenschein zu nehmen. Wie stets würde der Abstieg schwieriger werden als der Aufstieg. Er schwang das linke Bein über den First und ließ sich langsam herunter, wobei er sich mit beiden Händen an die Dachrinne klammerte, während er nach einem Halt für seine Füße suchte. Sobald er mit einem Zeh den Fenstersims ertastete, ließ er eine Hand los. In diesem Moment verlor er seinen Schuh, und die andere Hand, mit der er sich noch an der Dachrinne festklammerte, begann abzurutschen. Er hatte die goldene Regel gebrochen, stets an drei Punkten den Kontakt aufrechtzuerhalten. George wusste, dass er fallen würde, etwas, das er regelmäßig übte, wenn er in der Sporthalle des Colleges vom Reck stieg, aber das Reck war noch nie so hoch gewesen. Er ließ los, und zum ersten Mal an diesem Tag war das Glück ihm hold, als er in ein feuchtes Blumenbeet stürzte und sich abrollte.
    Er rappelte sich auf und stand einem älteren Gentleman gegenüber, der ihn anstarrte. Ob der arme Kerl wohl glaubte, einen schuhlosen Einbrecher vor sich zu haben?
    »Kann ich Ihnen helfen, junger Mann?«, frage er.
    »Danke, Sir«, sagte George. »Ich habe einen Termin bei Mr Benson.«
    »Sie müssten Mr Benson um diese Zeit in seinem Studierzimmer vorfinden.«
    »Verzeihung, Sir, aber ich weiß nicht, wo das ist«, sagte George.
    »Durch den Fellows Archway«, sagte er und deutete über den Rasen. »Zweiter Korridor links. Sie finden seinen Namen an der Tür.«
    »Danke, Sir«, sagte George und bückte sich, um seinen Schnürsenkel zuzubinden.
    »Keine Ursache«, sagte der ältere Gentleman und schlug den Weg zu den Unterkünften des Lehrpersonals ein.
    George rannte über die Rasenfläche und durch den Torbogen in einen prachtvollen, elisabethanischen Hof. Als er den zweiten Korridor erreichte, hielt er inne, um die Namen auf der Tafel zu überprüfen. A. C. Benson, Senior Tutor, dritter Stock. Er stürmte die Treppe hinauf und blieb vor Mr Bensons Zimmer im dritten Stock stehen, um wieder zu Atem zu kommen. Dann klopfte er vorsichtig an die Tür.
    »Herein«, antwortete ein Stimme. George öffnete die Tür und betrat den Herrschaftsbereich des Senior Tutors. Ein rundlicher, rotgesichtiger Mann mit buschigem Schnurrbart blickte zu ihm auf. Er trug einen hellkarierten Anzug und eine gelbgepunktete Fliege unter seinem Talar und saß hinter einem riesigen Schreibtisch, der mit ledergebundenen Büchern und Studentenaufsätzen bedeckt war. »Sie
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