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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden
Autoren: Jeffrey Archer
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nicht noch ein paar Momente länger auskosten wollte.
    Schließlich blickte er zu George und sagte: »Proxime accessit. Der Zweitbeste in Geschichte mit 86 Prozent.« Er schaute hinunter in das Büchlein. »Hat in diesem Trimester gut mitgearbeitet, gute Examensergebnisse und einen vorbildlichen Aufsatz über Gibbon. Ich hoffe, dass er sich für dieses Fach entscheidet, wenn er zur Universität geht.« Sein Vater lächelte, ehe er die nächste Seite umblätterte. »Fünfter Platz in Englisch, 74 Prozent. Ein sehr vielversprechender Aufsatz über Boswell, doch er sollte etwas mehr Zeit mit Milton und Shakespeare verbringen und weniger mit R. L. Stevenson.« Dieses Mal war es an George zu lächeln. »Siebter in Latein, 69 Prozent. Ausgezeichnete Übersetzung des Ovid, sicher über den Anforderungen, die Oxford und Cambridge an die Bewerber stellen. Vierzehnter in Mathematik, 56 Prozent, gerade ein Prozent über der erforderlichen Punktzahl.« Sein Vater hielt inne, dann las er stirnrunzelnd weiter. »Neunundzwanzigster in Chemie.« Reverend Mallory blickte auf. »Wie viele Schüler sind in der Klasse?«, erkundigte er sich.
    »Dreißig«, antwortet George, obwohl er genau wusste, dass sein Vater die Antwort bereits kannte.
    »Dein Freund Guy Bullock hat dich zweifelsohne davor bewahrt, Letzter zu sein.«
    Er wandte sich wieder dem Zeugnis zu. »26 Prozent. Zeigt wenig Interesse daran, irgendwelche Experimente durchzuführen. Würde ihm anraten, dieses Fach aufzugeben, falls er in Erwägung zieht, die Universität zu besuchen.«
    George schwieg, als sein Vater einen Brief auseinanderfaltete, der dem Zeugnis beigefügt war. Dieses Mal spannte er sie alle nicht auf die Folter. »Dein Hausvorsteher, Mr Irving«, verkündete er, »ist der Ansicht, dass man dir zu Michaelis einen Platz in Cambridge anbieten wird.« Er machte eine Pause. »Cambridge scheint mir eine überraschende Wahl zu sein«, fügte sein Vater hinzu, »wenn man bedenkt, dass es in einer der flachsten Gegenden im ganzen Land liegt.«
    »Darum hoffte ich darauf, Papa, dass du mir gestattest, in diesem Sommer nach Frankreich zu reisen, um meine Ausbildung nicht zu vernachlässigen.«
    »Paris?«, sagte Reverend Mallory und hob eine Augenbraue. »Was führst du im Schilde, mein lieber Junge? Das Moulin Rouge besuchen?«
    Mrs Mallory starrte ihren Gatten an und ließ keinen Zweifel daran, dass sie solch eine gewagte Bemerkung vor den Mädchen aufs Schärfste missbilligte.
    »Nein, Papa, nicht rouge«, erwiderte George. »Blanc. Den Montblanc, um genau zu sein.«
    »Aber ist das nicht überaus gefährlich?«, fragte seine Mutter ängstlich.
    »Nicht halb so gefährlich wie das Moulin Rouge«, gab sein Vater zurück.
    »Mach dir keine Sorgen, Mutter, weder um das eine noch um das andere«, sagte George lachend. »Mein Hausvorsteher, Mr Irving, wird mich die ganze Zeit begleiten, und er ist nicht nur Mitglied im Alpine Club, sondern wird auch als Aufpasser fungieren, sollte ich das Glück haben, der betreffenden Dame vorgestellt zu werden.«
    Georges Vater schwieg eine ganze Weile. In Gegenwart seiner Kinder erörterte er niemals die Kosten von irgendetwas. Gleichwohl war er erleichtert gewesen, als George ein Stipendium für Winchester gewonnen hatte, das ihm 170 Pfund der jährlichen Gebühr von 200 Pfund ersparte. Geld war kein Thema, über das man am Frühstückstisch sprechen sollte, obwohl er, um bei der Wahrheit zu bleiben, nur selten nicht daran dachte.
    »Wann ist dein Vorstellungsgespräch in Cambridge?«, fragte er schließlich.
    »Donnerstag in einer Woche, Vater.«
    »Dann werde ich dir am Freitag in einer Woche meine Entscheidung mitteilen.«

5
    Donnerstag, 13. April 1905
    Obwohl Guy seinen Freund rechtzeitig weckte, schaffte George es dennoch, zu spät zum Frühstück zu kommen. Er machte dafür die Tatsache verantwortlich, dass er sich noch hatte rasieren müssen, eine Fertigkeit, die er noch nicht sicher beherrschte.
    »Müssen Sie nicht heute zu Ihrem Vorstellungsgespräch nach Cambridge?«, erkundigte sich sein Hausvorsteher, als George sich eine zweite Portion Porridge nahm.
    »Jawohl, Sir«, sagte George.
    »Und wenn ich mich recht entsinne«, fügte Mr Irving mit einem raschen Blick auf die Uhr hinzu, »fährt Ihr Zug nach London in weniger als einer halben Stunde ab. Ich wäre nicht im Geringsten überrascht, wenn die anderen Kandidaten bereits am Bahnsteig warten würden.«
    »Sie haben zu wenig gegessen und Ihre weisen
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