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Berg der Legenden

Berg der Legenden

Titel: Berg der Legenden
Autoren: Jeffrey Archer
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von ihnen sich in der Lage fühlte, den Abstieg fortzusetzen. George ließ seinen Eispickel erst los, als er sich überzeugt hatte, dass Mr Irving und Guy halbwegs wiederhergestellt waren. Zentimeter um Zentimeter, Schritt um Schritt, kletterte er den beiden heftig zitternden Bergsteigern voraus, bis sie auf einem breiten, zehn Meter tiefer gelegenen Felsvorsprung in Sicherheit waren. Die drei machten fast eine Stunde Pause, ehe Mr Irving wieder die Führung übernahm und sie über ungefährliche Hänge leitete.
    Kaum ein Wort fiel an diesem Abend beim Essen zwischen ihnen, aber alle drei wussten, dass Guy, wenn sie nicht gleich am nächsten Morgen in die Berge zurückkehrten, nie wieder klettern würde. Am nächsten Tag führte Mr Irving seine beiden Schützlinge erneut auf den Monte Rosa, wobei er eine längere und wesentlich weniger anspruchsvolle Route wählte. Als George und Guy an diesem Abend ins Hotel zurückkehrten, waren sie keine Kinder mehr.
    Tags zuvor hatte es nur wenige Minuten gedauert, bis alle drei Bergsteiger wieder in Sicherheit gewesen waren, doch jede dieser Minuten maß sechzig Sekunden, und jede einzelne von ihnen würde ihnen zeitlebens im Gedächtnis haften bleiben.

7
    Kaum hatten sie Paris erreicht, zeigte sich, dass die Stadt Mr Irving nicht fremd war, und George und Guy überließen ihrem Hausvorsteher bereitwillig die Führung. Sie waren übereingekommen, den letzten Tag ihrer Reise in der französischen Hauptstadt zu verbringen, um ihr Glück zu feiern.
    Mr Irving brachte sie in einem kleinen Familienhotel unter, das in einem malerischen Innenhof im siebten Arrondissement lag. Nach einem leichten Mittagessen stellte er ihnen Paris bei Tag vor: den Louvre, die Notre-Dame, den Arc de Triomphe. Doch es war der Eiffelturm, aus Anlass des hundertsten Jahrestages der Französischen Revolution für die Weltausstellung von 1889 erbaut, der Georges Phantasie anregte.
    »Denken Sie nicht einmal daran!«, sagte Mr Irving, als er seinen Schützling dabei ertappte, wie er zum höchsten Punkt des stählernen Bauwerks emporschaute, fast 325 Meter über ihnen.
    Mr Irving hatte drei Billets für sechs Francs gekauft und scheuchte George und Guy in den Fahrstuhl, der sie in gemächlicher Fahrt zur Spitze des Turms brachte.
    »Wir hätten nicht einmal die Ausläufer des Montblanc erreicht«, stellte George fest, als er über Paris blickte.
    Mr Irving lächelte und fragte sich, ob George Mallory sich wohl mit der Eroberung des Montblanc zufriedengeben würde.
    Nachdem sie sich für das Abendessen umgezogen hatten, ging Mr Irving mit den Jungen in ein kleines Restaurant auf dem linken Seineufer, wo sie sich Gänsestopfleber und dazu ein kleines Glas kühlen Sauternes schmecken ließen. Darauf folgte ein Bœuf bourguignon, das besser war als jeder Rindereintopf, den einer von ihnen jemals gekostet hatte. Den Abschluss bildete ein reifer Brie: alles in allem ein gewaltiger Unterschied zum üblichen Schulessen. Die beiden letzten Gänge spülten sie mit einem ziemlich feinen Burgunder herunter, und George hatte schon jetzt das Gefühl, dies sei einer der lustvollsten Tage seines Lebens. Doch der Tag war noch längst nicht vorbei. Nachdem Mr Irving seine Schützlinge mit dem Genuss von Cognac vertraut gemacht hatte, begleitete er sie zurück ins Hotel. Kurz nach Mitternacht wünschte er ihnen eine angenehme Nachtruhe und zog sich in sein eigenes Zimmer zurück.
    Guy setzte sich auf das Fußende seines Bettes, während George begann sich auszuziehen. »Lass uns ein paar Minuten warten, ehe wir wieder hinausschleichen.«
    »Wieder hinausschleichen?«, murmelte George.
    »Ja«, erwiderte Guy, erfreut, zur Abwechslung auch einmal die Führung zu übernehmen. »Was für einen Sinn hat es, Paris zu besuchen, ohne im Moulin Rouge gewesen zu sein?«
    George fuhr fort, sein Hemd aufzuknöpfen »Aber ich habe meiner Mutter versprochen …«
    »Ich bin sicher, dass du das hast«, spottete Guy. »Und jetzt willst du mir weismachen, ein Mann, der die Höhen des Montblanc bezwingen will, sei nicht bereit, die Tiefen des Pariser Nachtlebens zu ergründen?«
    Widerwillig knöpfte George sein Hemd wieder zu, während Guy das Licht ausschaltete, die Zimmertür öffnete und hinausspähte. Überzeugt, dass Mr Irving warm und sicher mit seiner Ausgabe von Drei Männer in einem Boot in seinem Bett lag, trat er hinaus auf den Korridor. George folgte widerstrebend und schloss leise die Tür hinter sich.
    Sobald sie die
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