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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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Geschwätz von Liebe und so weiter, aber in Wirklichkeit würden sie gern einen Übeltäter in Stücke reißen. Das gibt ihnen das Gefühl, dass sich Gott was aus ihnen macht, auch wenn es mit Sicherheit nicht stimmt.« Er leerte sein Glas mit einem einzigen Schluck und verzog das Gesicht. »Ist das der einzige Beweis, den du hast – dass du behauptest, du hättest mich gesehen?«
    »Ich hab gesehen, wie du sie erstochen hast.«
    »Aber es war niemand bei dir, oder? Hm? Du warst allein? Du hattest ja keine anderen Freunde.«
    »Ich weiß, was ich gesehen habe.« Quinns Stimme klang dünn und rau. Irgendwie war es Dalton gelungen, ihm die Initiative zu entreißen, obwohl Quinn beide Revolver hatte.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe«, äffte ihn Dalton nach. »Du bist verdammt jämmerlich, weißt du das?« Er wischte mit dem Handrücken unter seiner glänzenden Nase entlang. »Ich sag dir was. Nimm den Revolver runter. Wenn du jetzt gehst, werde ich dich nicht verfolgen. Trotz Gracie. Verschwinde von hier und komm nie wieder. Vergessen wir das Ganze hier. Du willst doch bestimmt keinen Polizisten erschießen, oder? Ich meine …«
    Irgendwo ertönte ein hohes Quieken. Dalton blickte auf eine Tür zu seiner Linken, die in die angrenzende Zelle führte.
    Quinn riss den Kopf herum. »Ist sie da drin?«
    »Ich hab’s dir doch gesagt. Hier ist niemand. Das war nur eine Maus oder so was Ähnliches. In diesem Land wimmelt es von verfluchtem Ungeziefer.« Dalton rieb sich die Wange und befingerte dann die frische Kratzwunde an seinem Hals. »Warum gehst du nicht rein und guckst selbst nach, wenn du dir so sicher bist? Na los. Es ist offen. Schau selbst nach, Quinn. Nur zu.«
    Quinn starrte Dalton an. All die Jahre hatte sein Onkel wie ein Kobold in seinem Gedächtnis herumgespukt, und jetzt stand er direkt vor ihm.
    Robert nutzte Quinns kurzzeitige Verwirrung aus. »Wer zum Teufel bist du? Jeder weiß, dass der kleine Quinn tot ist. Du siehst ihm nicht mal ähnlich. Du bist bloß ein verrückter Mistkerl. Als wir dich auf dem Friedhof verlassen haben, hat Mrs. Porteous gesagt, du wärst sonderbar. Geistesgestört , hat sie gesagt. Wer zum Teufel bist du?«
    Quinn war zur Zellentür hinübergeschlurft. Eine seltsame Ruhe hatte sich seiner bemächtigt. Er legte die Hand auf den eisernen Türgriff und hielt inne. Dann wandte er sich zu seinem Onkel um und hob den Revolver. »Ich bin der Todesengel«, sagte er und drückte ab. Ein Schuss, laut und heftig.
    Dalton fiel ächzend auf seinen Stuhl zurück. Seine plumpen Hände griffen nach seiner Brust. Zwischen den Fingern quoll Blut hervor. »Scheiße! Du hast auf mich geschossen , du verrückter Mistkerl.« Keuchend rappelte er sich auf. Er tastete nach der Schreibtischkante, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. »Was soll das? Was hast du getan? Hilf mir.« Papiere glitten vom Schreibtisch. Die Flasche zersprang auf dem Fußboden, und das Büro war sofort vom scharfen Geruch des Alkohols erfüllt. Dalton fiel auf den Schreibtisch und klatschte dann wie ein Fisch auf den Fußboden, wo er noch ein paar Sekunden stöhnte und schließlich verstummte.
    Erschüttert starrte Quinn ihn an und hustete. Seine Hände zitterten. Das Schwert der Gerechtigkeit, dachte er. Nach all den Jahren. Aus der nahegelegenen Kirche hörte er wieder Gesang. Es erglänzt uns von ferne ein Land, unser Glaubensaug’ kann es wohl sehn … Er kauerte neben seinem Onkel nieder und horchte auf seinen Atem, aber da war nichts mehr. Unter Daltons Körper sickerte Blut hervor, das sich auf dem Fußboden ausbreitete. Quinn stieg über ihn hinweg und zog die schwere Zellentür auf. Er erschrak über eine orangefarbene Katze, die zwischen seinen Beinen hindurch nach draußen flitzte. »Sadie?«, flüsterte er in die Dunkelheit. »Ich bin’s.«
    29 Quinn hatte schreckliche Angst vor dem, was er finden könnte, vor dem, was er nicht finden könnte. Als keine Antwort kam, betrat er die unbeleuchtete Zelle. Anfangs nur Dämmerlicht und der Farmgeruch von Mist und Heu. Niemand da. Wieder flüsterte er Sadies Namen. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an das fehlende Licht, und das Mädchen tauchte tatsächlich aus der Dunkelheit auf. Sie saß auf einer klumpigen Matratze auf dem Fußboden und war geknebelt. Bei seinem Eintreten quollen ihre Augen hervor. Sie hatte Stroh im Haar und einen frischen Bluterguss auf der Wange. Wieder dieses kurze, unerträgliche Quieken. Ihre Hände waren mit Handschellen hinter
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