Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
sein.»
    «Was?», fragte er. Seine Stimme hatte ein leichtes Echo im Handy.
    «Ich hab gesagt, dass du immer jemanden vorbeischickst, wenn ein Notfall vorliegt», log sie. «Wo bist du?»
    «Im College», antwortete er. «Ich warte auf die Hilfswauwaus.»
    Er benutzte ihren gemeinsamen Ausdruck für die Wachleute an der Grant Tech, der Staatsuniversität im Stadtzentrum.
    Sie fragte: «Und was gibt's?»
    «Ich wollte nur mal fragen, wie es dir geht.»
    «Prima», schnauzte sie, zog die Papiere wieder aus der Aktentasche und fragte sich, wieso sie sie überhaupt erst eingepackt hatte. Sie blätterte ein paar Karteikarten durch und schob sie dann wieder in eine Seitentasche.
    Sie sagte: «Ich komm schon jetzt zu spät zum Lunch mit Tess. Was kann ich für dich tun?»
    Offenbar brüskiert von ihrem schroffen Ton, sagte er: «Du sahst gestern etwas abgelenkt aus. In der Kirche.»
    «Ich war aber nicht abgelenkt», flüsterte sie und ging ihre Post durch. Beim Anblick einer Postkarte hielt sie inne, und ihr Körper erstarrte. Auf der Vorderseite der Karte war ein Bild von Saras Alma Mater, der Emory University in Atlanta, zu sehen. Neben ihrer Adresse in der Kinderklinik standen auf der Rückseite die mit der Schreibmaschine getippten Worte «Warum hast du mich verlassen?».
    «Sara?»
    Sie brach in kalten Schweiß aus. «Ich muss Schluss machen.» «Sara, ich-»
    Sie legte auf, bevor Jeffrey seinen Satz beenden konnte, und stopfte drei weitere Krankenblätter zusammen mit der Postkarte in ihre Aktentasche. Sie schlüpfte zur Seitentür hinaus, ohne dass jemand sie sah.
    In strahlendem Sonnenschein trat Sara auf die Straße. Die Luft war inzwischen kühler als noch am Morgen, und die dunklen Wolken kündeten Regen für den späteren Abend an.
    Ein roter Thunderbird fuhr vorüber, aus dessen Fenster ein kleiner Arm hing.
    «Hallo, Doktor Linton», rief ein Kind.
    Sara winkte und antwortete mit einem «He!», als sie die Straße überquerte. Sie nahm ihre Aktentasche von der einen Hand in die andere, als sie quer über den Rasen vor dem College ging. Sie bog nach rechts auf den Gehsteig ein und ging dann weiter in Richtung Main Street. In weniger als fünf Minuten erreichte sie das Esslokal.
    Tessa saß in einer Nische an der gegenüberliegenden Wand des leeren Lokals und aß einen Hamburger. Sie sah nicht gerade erfreut aus.
    «Tut mir Leid, dass ich zu spät komme», entschuldigte sich Sara und ging auf ihre Schwester zu. Sie versuchte es mit einem Lächeln, aber Tessa reagierte nicht.
    «Du hast zwei gesagt. Jetzt ist es schon fast halb drei.»
    «Ich musste noch Papierkram erledigen», sagte Sara zur Erklärung und schob ihre Aktentasche auf die Sitzbank. Tessa war Klempnerin und ihr gemeinsamer Vater Klempner. Verstopfte Abflussrohre mochten durchaus keine Lappalien sein, aber Linton & Töchter bekamen nur sehr selten Notrufe, wie sie bei Sara an der Tagesordnung waren. Ihre Familie vermochte sich nicht vorzustellen, wie ein arbeitsreicher Tag für Sara aussah, und man war ständig verärgert über ihre Unpünktlichkeit.
    «Ich hab um zwei im Leichenschauhaus angerufen», klärte Tessa sie auf. Sie knabberte dabei an einem Stück Pommes frites. «Du warst nicht da.»
    Mit einem Seufzer setzte sich Sara und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. «Ich hab nochmal in der Klinik vorbeigeschaut, und dann rief Mama an, und irgendwie ist mir die Zeit davongelaufen.» Sie unterbrach sich und sagte dann, was sie immer sagte: «Tut mir Leid. Ich hätte dich anrufen sollen.» Als Tessa nicht reagierte, fuhr Sara fort: «Du kannst für den Rest des Mittagessens auf mich wütend sein, oder du kannst damit aufhören, und ich geb dir ein Stück Schokosahnetorte aus.»
    «Ich möchte lieber Red-Velvet-Torte», konterte Tessa. «Geht klar», erwiderte Sara außerordentlich erleichtert. Es reichte, dass ihre Mutter auf sie wütend war.
    «Wo du von Anrufen sprichst», fing Tessa an, und Sara wusste, worauf sie hinauswollte, bevor ihre Schwester die Frage gestellt hatte: «Von Jeffrey gehört?»
    Sara erhob sich leicht, um mit der Hand in die Tasche zu greifen. Sie zog zwei Fünfdollarscheine hervor. «Er hat angerufen, bevor ich die Klinik verließ.»
    Tessas bellendes Lachen hallte durchs Restaurant. «Was hat er gesagt?»
    «Ich hab aufgelegt, bevor er überhaupt was sagen konnte», antwortete Sara und gab ihrer Schwester das Geld.
    Sara stopfte die Fünfer in die Gesäßtasche ihrer Jeans. «Mama hat also angerufen? Sie war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher