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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna
Autoren: Karin Slaughter
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ziemlich stinkig auf dich.»
    «Ich bin auch ziemlich stinkig auf mich», sagte Sara. Nachdem sie nun schon zwei Jahre geschieden war, konnte sie ihren Exmann immer noch nicht loslassen. Sara schwankte zwischen Hass auf Jeffrey Tolliver und Hass auf sich selbst. Sie wünschte sich, dass nur ein einziger Tag verging, ohne dass sie an ihn denken musste, ohne dass er in ihrem Leben auftauchte. Weder gestern noch heute war ein solcher Tag gewesen.
    Ostersonntag war ihrer Mutter wichtig. Obwohl Sara nicht sonderlich religiös war, empfand sie es als nicht zu viel verlangt, an einem Sonntag im Jahr Strumpfhosen zu tragen, um Cathy Linton glücklich zu machen. Sara hatte nicht damit gerechnet, dass Jeffrey in der Kirche sein würde. Gleich nach dem ersten Choral hatte sie ihn aus dem Augenwinkel gesehen. Er saß rechts drei Reihen hinter ihr, und sie beide schienen sich gleichzeitig zu bemerken. Sara hatte sich als Erste gezwungen, wieder wegzusehen.
    Wie sie dort in der Kirche saß und den Priester anstarrte, ohne ein einziges Wort zu verstehen, das der Mann sagte, spürte Sara Jeffreys unverwandten Blick im Nacken. Die Intensität dieses Blicks ließ Hitze in ihr aufsteigen, sodass sie errötete. Obwohl sie in einer Kirche saß, ihre Mutter auf der einen Seite und Tessa und ihr Vater auf der anderen, fühlte Sara, wie ihr Körper auf den Blick reagierte, der von Jeffrey gekommen war.
    Irgendwas war an dieser Jahreszeit, das sie zu einem völlig anderen Menschen gemacht hatte.
    Sie rutschte tatsächlich auf ihrem Platz hin und her, stellte sich vor, dass Jeffrey sie berührte und wie sich seine Hände auf ihrer Haut anfühlten, als Cathy Linton ihr den Ellbogen in die Rippen stieß. Der Miene ihrer Mutter war zu entnehmen, dass sie genau wusste, was Sara in diesem Moment durch den Kopf ging, und dass es ihr ganz und gar nicht gefiel. Cathy hatte voller Ingrimm die Arme über der Brust verschränkt, und man sah, sie fand sich mit der Tatsache ab, dass ihre Tochter in der Hölle enden würde, weil sie am Ostersonntag in der Baptistenkirche an Sex dachte.
    Es folgte ein Gebet, dann ein weiterer Choral. Nach einer vermeintlich angemessenen Zeitspanne warf Sara einen Blick über die Schulter, um noch einmal nach Jeffrey zu schauen, sah aber, dass er mit dem Kinn auf der Brust eingeschlafen war. Ebendas war das Problem mit Jeffrey Tolliver: Die Vorstellung, die man sich von ihm machte, war weitaus besser als die Realität.
    Tessa klopfte mit den Fingern auf den Tisch, um Saras Aufmerksamkeit zu wecken. «Sara?»
    Sara legte die Hand auf die Brust, denn sie merkte, dass ihr Herz wie gestern Morgen in der Kirche zu stark klopfte. «Was?»
    Tessa schenkte ihr einen wissenden Blick, machte aber dankenswerterweise kein Thema daraus. «Was hat Jeb denn gesagt?»
    «Wovon redest du?»
    «Ich hab gesehen, wie du nach dem Gottesdienst mit ihm gesprochen hast», sagte Tessa. «Was hat er denn gesagt?»
    Sara überlegte, ob sie lügen sollte oder nicht. Schließlich antwortete sie: «Er hat mich für heute zum Mittagessen eingeladen, aber ich hab ihm gesagt, dass ich dich treffe.»
    «Hättest du doch absagen können.»
    Sara zuckte die Achseln. «Wir gehen Mittwochabend aus.»
    Es fehlte nur noch, dass Tessa vor Begeisterung in die Hände klatschte.
    «Mein Gott», stöhnte Sara. «Was hab ich nur gedacht?»
    «Zur Abwechslung mal nicht an Jeffrey», erwiderte Tessa. «Stimmt's?»
    Sara nahm die Speisekarte hinter dem Serviettenständer hervor, wenngleich sie kaum darauf zu schauen brauchte. Sie oder ein Mitglied ihrer Familie hatten, seit Sara drei Jahre alt war, mindestens einmal die Woche im Grant Filling Station gegessen, und die einzige Änderung auf der Speisekarte hatte es gegeben, als Pete Wayne, der Besitzer, zu Ehren von Präsident Jimmy Carter dem Angebot auf der Nachtischkarte Erdnusskrokant hinzugefügt hatte.
    Tessa reichte über den Tisch und drückte die Speisekarte sanft beiseite. «Bist du in Ordnung?»
    «Es ist wieder die Zeit», sagte Sara und kramte in ihrer Aktentasche. Sie fand die Postkarte und hielt sie in die Höhe.
    Tessa nahm die Karte nicht, und deshalb las Sara laut von der Rückseite vor: «    «Aus der Bibel?», fragte Tessa, obwohl sie es doch genau wusste.
    Um Fassung bemüht, blickte Sara aus dem Fenster. Plötzlich stand sie vom Tisch auf und sagte: «Ich muss mir die Hände
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