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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste
Autoren: Harry Dolan
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keinen Groll.«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit.«
    »Ich glaube nicht. Sie haben einen Spatzenkalender.«
    Der alte Mann strich sich das Haar aus der Stirn. »Was?«
    »›Es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings.‹ Ich bin ziemlich sicher, das stammt aus der Bibel.«
    »Oh Gott, jetzt drehen Sie wieder durch.«
    »Ich drehe nicht durch. Dieser Satz über den Spatz – er bedeutet, dass wir alle Teil eines höheren Plans sind. Sie sollten keine Angst davor haben, Ihren Part in diesem Plan zu spielen. Sie sollten nicht lügen, um sich da rauszuwinden.«
    »Ich habe Sie nicht angelogen.«
    Das Geschirrtuch an Larks Stirn fühlte sich feucht an. Er spürte, wie ein Tropfen des eisigen Wassers über seinen Nasenrücken und seine Wange lief.
    »Sie haben einen Spatzenkalender«, sagte er noch einmal. »Und jeder zweite Samstag ist mit einem ›T‹ versehen. Abkürzung für Terry. Sie stehen ihm immer noch nahe. Sie besuchen ihn alle zwei Wochen im Gefängnis.«
    Der alte Mann versuchte nicht, zu leugnen. Er krümmte die Finger seiner geschwollenen Hand und sah Lark in die Augen.
    »Sie sehen aber gar nicht gut aus. Was macht Ihr Kopf ?«
    Lark zuckte nur die Schultern.
    »Vielleicht versucht er Ihnen etwas mitzuteilen«, sagte der alte Mann.
    Der Schmerz folgte der Spur des Knotens. Das Eis half, aber nicht genug.
    »Die Kopfschmerzen sind bloß ein Symptom«, sagte Lark. »Ich werde sie so lange haben, bis ich mit dem eigentlichen Problem fertig bin.«
    »Darum geht’s also? Sie glauben, wenn Sie mich töten, wird das all Ihre Probleme lösen?«
    »Was anderes fällt mir im Moment nicht ein.«
    Der alte Mann schüttelte traurig den Kopf. »Schauen Sie, Mister, Sie wollen das doch eigentlich gar nicht tun.«
    »Sie haben recht. Wenn es einen anderen Weg gäbe, würde ich ihn einschlagen. Aber das Gefängnis ist bestens gesichert. Es gibt keine andere Möglichkeit, an ihn heranzukommen.«
    Dem alten Mann fielen die Augen zu und ein Stoßseufzer entfuhr ihm. Als er sprach, war seine Stimme nur noch ein Flüstern.
    »Die Männer in dem Gefängnis sind Tiere. Terry ist seit sechzehn Jahren da drin. Glauben Sie, Sie können ihm irgendetwas antun, das ihm nicht schon angetan worden wäre? Glauben Sie, Sie können ihn leiden lassen, indem Sie mich töten?«
    Lark nahm das Geschirrtuch von seiner Stirn und ließ es auf den Fußboden fallen. Ein Eiswürfel glitt still über den Boden.
    »Ob er leidet oder nicht«, sagte Lark. »Der Punkt ist, dass sie ihn rauslassen werden. So funktioniert es doch, oder? Für ein paar Stunden.« Der Montierhebel lag zu Larks Füßen. Er bückte sich, um ihn aufzuheben. »Ich komme an den Wachen nicht vorbei. Aber ich glaube, sie werden ihn rauslassen. Er wird bei Ihrer Beerdigung sein.«

3
    Es ist ganz egal, wie du dein Ziel erreichst, hatte Larks Vater immer gesagt. Hauptsache, du erreichst es .
    Dreißig Jahre lang hatte Thomas Lark in der Dearborn Assembly Plant am Rouge River gearbeitet. Nach den ersten paar Monaten hatte die Arbeit ihren Reiz verloren, aber er hatte trotzdem an ihr festgehalten, denn er hatte nur ein paar bescheidene Wünsche – eine Frau und eine Familie und vielleicht ein Boot zum Fischen –, und es war ihm egal gewesen, wie sie sich erfüllten, Hauptsache, sie erfüllten sich.
    Also war er geblieben und hatte Entlassungen und Firmenverkäufe überstanden und eine Frau gefunden – Helen, eine Vorschullehrerin. Sie hatten einen Sohn, Anthony. Im Laufe der Jahre kaufte Thomas Lark vier Boote, das erste war ein Ruderboot aus Aluminium, das vierte ein acht Meter langes Motorboot aus Fiberglas. Nach drei Jahrzehnten am Fließband waren ihm zwei Jahre Ruhestand vergönnt, bevor sein Herz versagte und er an einem schönen Frühlingsmorgen eine Stunde vor Sonnenaufgang auf einem Kai zusammenbrach.
    Helen, die ihre Jahre damit verbracht hatte, Kindern Lesen und Schreiben beizubringen, beklagte sich nie über die Gleichung im Leben ihres Ehemanns: dreißig Jahre gegen zwei. Als Anthony Lark bei der Beerdigung seines Vaters geweint hatte, hatte sie ihn an ihre Brust gedrückt und ihr Bestes getan, um ihn zu trösten. Dann hatte sie ihn an den Schultern gefasst und gesagt: »Versprich mir, dass du die Zeit nutzt, die dir gegeben ist.«
    An sie dachte er am Morgen nach seiner Begegnung mit Charlie Dawtrey, und obwohl er den Tag gern verschlafen hätte, kam er zu dem Schluss, dass das nicht gut wäre. Es blieben ihm zwar noch ein paar Tage bis zu Dawtreys
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