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Belgarath der Zauberer

Belgarath der Zauberer

Titel: Belgarath der Zauberer
Autoren: David Eddings
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andere Art durchschlagen müssen als durch kleinere Diebstähle. Aber ich war jung und hatte Vertrauen in meine Fähigkeiten mit der Schleuder; deshalb war ich recht zuversichtlich, was meine nähere Zukunft betraf.
    Es ergab sich jedoch, daß ich mir mein Essen nicht mühsam erjagen mußte. Gleich am Waldrand kam ich an eine Siedlung mit seltsamen alten Leuten, die in Zelten lebten und nicht in Hütten. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die ich nicht verstand, doch sie hießen mich mit Gesten und zögerlichem Lächeln willkommen.
    Diese Gemeinschaft war wohl die seltsamste, der ich je begegnet bin – und glaubt mir, ich habe nicht wenige gesehen. Ihre Haut war eigenartig farblos, was ich für ein Merkmal ihrer Rasse hielt, doch das Seltsamste schien mir, daß ich nirgendwo auch nur einen Bewohner des Lagers antraf, der jünger als vielleicht siebzig Jahre gewesen wäre.
    Sie machten großes Aufhebens von mir; manche weinten sogar, als sie mich zum erstenmal sahen. Sie setzten sich zu mir und starrten mich stundenlang an, was mich ein wenig aus der Fassung brachte, gelinde ausgedrückt. Sie nährten mich gut, verwöhnten mich und gaben mir eine geradezu luxuriöse Unterkunft – sofern man ein Zelt als luxuriös bezeichnen kann. Das Zelt hatte leer gestanden, und ich entdeckte, daß es in diesem Lager viele leere Behausungen gab. Nach ein, zwei Monaten fand ich den Grund dafür. Kaum eine Woche verging, in der nicht mindestens einer oder zwei von ihnen starben. Wie ich schon sagte, waren sie alle ziemlich alt Habt ihr eine Vorstellung davon, wie bedrückend es ist an einem Ort zu leben, an dem ständig Begräbnisse stattfinden?
    Dennoch beschloß ich zu bleiben, denn der Winter rückte näher, und ich hatte einen Platz zum Schlafen, ein Feuer, das mich wärmte, und die alten Leute sorgten rührend für mich. Da konnte ich mich mit den bedrückenden Begleitumständen durchaus abfinden. Allerdings entschloß ich mich, sofort nach Anbruch des Frühlings weiterzuziehen.
    Ich mühte mich nicht sonderlich, in diesem einen Winter ihre Sprache zu erlernen, und schnappte nur ein paar Begriffe auf. Am häufigsten wiederholten sie die Worte »Gorim« und »UL«; beides schienen Namen zu sein, und man sprach sie mit großem Bedauern aus.
    Die alten Leute nährten mich nicht nur gut sie gaben mir auch Kleidung; meine eigenen Sachen waren ohnehin nicht die besten gewesen, und während meiner Reise hatten sie doch sehr gelitten. Ein großes Opfer stellte dies für meine Gastgeber nicht dar, denn in einer Gesellschaft, in der jede Woche mindestens zwei Beerdigungen stattfinden, gibt es genug überzählige Kleidungsstücke.
    Als der Schnee schmolz und der Boden frostfrei wurde, begann ich heimlich mit den Vorbereitungen für meinen Abschied. Ich stahl Nahrungsmittel – immer nur wenige, um keinen Verdacht zu erregen – und verbarg sie in meinem Zelt. Dann stibitzte ich einen ausgesucht schönen Wollmantel aus der Jurte eines kürzlich Verblichenen und besorgte mir da und dort noch einige andere nützliche Sachen. Ich erforschte die Umgebung und entdeckte westlich des Lagers eine Stelle, an der ich den Fluß überqueren konnte. Als mein Fluchtweg feststand, wartete ich in Ruhe darauf, daß der Rest des Winters vorüberging.
    Wie immer gab es zu Beginn des Frühjahrs lang anhaltende Regenfälle, und ich harrte weiter aus, obwohl meine Ungeduld fast schon unerträglich geworden war. Während dieses Winters hatte sich meine merkwürdige Sehnsucht geändert, nach Westen zu ziehen. Nun schien der Süden mich zu locken.
    Schließlich ließ der Regen nach, und die Frühlingssonne schien warm genug, um das Reisen angenehm zu machen. Eines Abends packte ich die Früchte meiner kleinen Diebereien in einen groben Sack, den ich während der langen Winterabende gefertigt hatte und wartete, fast atemlos vor Anspannung, daß es im Lager ruhig würde. Als endlich alle Geräusche verklungen waren, kroch ich aus meinem Zelt und machte mich auf den Weg zum Waldrand.
    Der Vollmond stand am Himmel, und die Sterne leuchteten hell. Ich schlich durch den düsteren Wald, watete durch den Fluß, und erreichte das andere Ufer mit dem Gefühl äußerster Heiterkeit. Ich war frei!
    Fast die ganze Nacht folgte ich dem Lauf des Wassers in südlicher Richtung und brachte soviel Entfernung zwischen mich und die betagten Leute, daß sie mir mit ihren schwachen alten Beinen gewiß nicht mehr nachsetzen konnten.
    Der Wald schien unglaublich alt zu sein.
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