Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami
Autoren: Detlef Uhlmann
Vom Netzwerk:
Hemd durchdringen konnte.
    Vor mir saßen Karl-Heinz, Rosis »Spezieller« von der Bank, der trotz Gipsbein seine regelmäßigen Besuche bei uns wieder aufgenommen hatte, sowie ein Mann mit graublondem Haar. Seine Augenbrauen und Wimpern waren so hell, dass sein Gesicht fast nackt wirkte. Ab und an fuhr er sich mit einem Taschentuch darüber. Ich schenkte Bier nach, stützte mich mit einem Arm auf die Bar und wartete auf den nächsten Witz aus dem schier unerschöpflichen Repertoire der beiden. Julia klaubte sich einen Eiswürfel aus dem Glas, schob ihn sich aber diesmal nicht in den Mund, sondern strich damit langsam ihren Arm entlang. Er war geschmolzen, bevor sie am Handgelenk ankam. Vor der Tür hörte ich es grummeln. Lieber Gott, betete ich, lass es endlich regnen. Marlen kam aus Richtung der Toiletten, rieb sich einmal zu oft die Nase und schwebte zur Sitzgruppe in der Ecke. Fünf Herren, drei Mädchen, das wusste ich, ohne hinzusehen.
    »Treffen sich zwei Geraden«, sagte Karl-Heinz.
    Der Gesichtsnackedei beendete die Eiswürfel-Beobachtung und hob erwartungsvoll den Blick.
    »Sagt die eine: Beim nächsten Mal gibst DU aber einen aus.”
    Meine Barfrau Karin schlängelte sich geschickt mit einem Tablett an mir vorbei, auf dem sie acht Gläser, zwei Champagner-Flaschen und ein halb gefülltes Rotweinglas balancierte. Auf dem Weg zur hinteren Sitzecke stellte sie Roland, dem Pianisten, den Rotwein auf das Klavier, wich Conny aus, die allein und selbstvergessen zur Musik tanzte, und stellte die Gläser und Flaschen dann auf den Tisch der illustren Achtergruppe. Roland und ich hatten uns auf ein spezielles Honorarsystem geeinigt: Er spielte umsonst und trank umsonst. Gerade wechselte er Song und Rhythmus, spielte » We Don’t Talk Anymore« von Cliff Richard, als ich den Wind vor der Tür hörte. Die ersten Tropfen schlugen gegen die Scheibe. Plötzlich wurde alles lauter und schneller. Die Stimmen, das Lachen, Connys Tanz. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und entließ einen gewaltigen Sommerregen. Es klingelte, Sorina öffnete, und durch die geöffnete Tür konnte ich den lärmenden Regen hören. In der Bar war es schlagartig still geworden. Ich drehte mich um.
    Der automatische Schließmechanismus der Tür schloss geräuschlos. Kurz sah ich das überraschte Gesicht von Nico, meinem Türsteher, der zwischen zwei kräftigen Männern in schwarzen Lederjacken vor dem Bel Ami zurückgehalten wurde, obwohl er selbst nun wahrlich kein Hering war. Ungefähr 20 Typen mit schlecht versteckten Schlagstöcken und klirrenden Fahrradketten standen vor mir. Ich war wie versteinert. Wasserpfützen bildeten sich unter ihren schweren Stiefeln, und ich hatte das Gefühl, im falschen Film gelandet zu sein.
    »Wer ist denn hier der Chef?«
    Die Stimme klang süßlich und nicht halb so Furcht einflößend, wie der Mann aussah, zu dem sie gehörte. Ich begann zu frösteln und kam langsam hinter der Bar vor. Die Männer hatten sich im Raum verteilt und die freien Sessel und Barhocker belegt.
    »Das bin ich! Detlef Uhlmann.«
    Ich versuchte, meiner Stimme Festigkeit zu verleihen, und streckte die Hand aus.
    Die Honigstimme grinste ein Haifischgrinsen, ignorierte meine höfliche Geste und schlug mir mit der regennassen Hand auf die Schulter. Dort blieb sie liegen, bis ich die Feuchtigkeit auf der Haut spürte. Überrascht hörte ich das Klavier. Ich kannte die Melodie. Roland spielte » Kriminaltango« . Ich unterdrückte ein hysterisches Kichern .
    »Schöner Laden hier. Gibt’s auch was zu trinken?«
    »Champagner, Sekt, Wein?« Karin wirkte professionell und kein bisschen eingeschüchtert. Ich wusste nicht, was ich mit der Hand auf meiner Schulter tun sollte.
    »Sehn wir aus wie Schwuchteln?«
    Missbilligendes Gemurmel aus allen Ecken.
    »Wir trinken Bier, meine Jungs und ich!«
    »Und wer sind Sie?«, fragte ich beherzt.
    »Oh, wir sind deine besten Freunde!«
    Die Männer grölten.
    Der Typ lümmelte sich in das Ledersofa, bestellte auch für mich ein Bier und wies mit einladender Geste auf den freien Platz neben sich.
    »Komm her, Detlef. Trinken wir einen auf … auf …«, seine Lippen spannten sich, schoben sich über das Zahnfleisch und verharrten in einer Position, die ich als Lächeln deutete.
    »… auf unsere Freundschaft!«
    Ich vergaß meine Abneigung gegen Bier und trank, als hätte ich nie etwas anderes bestellt. Die Ringe an den Fingern des Rockers sahen aus, als wären sie weniger als Schmuck gedacht,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher