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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami
Autoren: Detlef Uhlmann
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blondierten Haar verschwunden, die ohnehin zerzauster waren als sonst. Seine Frau, seine schöne Frau. Die herausgewachsenen Ansätze ihres Haares hat er als Anklage empfunden.
    Der Beamte im Besuchszimmer sah in regelmäßigen Abständen demonstrativ auf seine Armbanduhr. Detlef ist sich sicher gewesen, dass der Mann ganz genau wusste, wie viele Minuten es noch waren.
    Hätte Simone nur einmal ihre Hände still gehalten, er hätte sie berührt. Vielleicht war ihr das bewusst, und sie hat ihm deshalb keine Gelegenheit dazu gelassen. Deutlich hat er die Panik in ihrer Stimme hören können. Jede Gesprächspause ist angefüllt gewesen mit Vorwürfen. Er habe sich über den Tisch ziehen lassen wie ein Anfänger, weder für sie noch für sein Kind vorgesorgt. Das ganze Ausmaß der Katastrophe sei ihr erst in den letzten Tagen deutlich geworden, als sie sich durch die Berge von Aktenordnern gearbeitet habe. Er bewundert den Ehrgeiz und Scharfsinn, den sie dabei entwickelt hat, Eigenschaften, die ihm vorher nie an ihr aufgefallen sind. Im Besuchszimmer wäre er bereit gewesen, alles zuzugeben, alle Schuld auf sich zu nehmen, von bitterer Reue zu sprechen, nur um einmal ihre Hand halten zu dürfen, ihre Hand mit den Fingernägeln, an denen der rote Lack abgeplatzt war.
    Die Armbanduhr des Beamten hat dann endlich das gewünschte Urteil verkündet. Die Zeit war um. Als hätte dieser Satz den mühsam gehaltenen Damm gebrochen, rannen Simone nun doch die Tränen übers Gesicht. Er hat sie nicht berühren dürfen, stand nur hilflos da. Alles wird wieder gut! Immer wieder hat er diese Floskel wiederholt, an die er doch selbst nicht mehr glaubt.
    »Mir reicht’s. Ich hör auf!«
    Seine Zellengenossen rücken geräuschvoll die Stühle und machen sich nachtfertig. Detlef beobachtet verblüfft, wie Tomek das Weihnachtspapier vom Boden aufhebt und es wieder über den Tisch legt.
    »Pennt der Alte schon?«
    »Kann dir doch egal sein.«
    Die Nacht beginnt – und der Alte schläft nicht.

I. Streifzüge
Ansichten und Einsichten
    Es war Freitagabend, und die Metropol -Party begann in wenigen Stunden. Ein großer Saal gefüllt mit jeder Menge hübscher Mädchen. Die eigentliche Herausforderung bestand darin, die Richtige herauszufischen. Es war noch immer warm, und ich entschied mich für ein kurzärmliges Hemd aus Leinen – falls es nötig sein würde, zu tanzen –, außerdem bestäubte ich meinen Körper mit einem Puder, das die Transpiration verhindern sollte. Im Radio sang Rod Stewart » Do You Think I’m Sexy?« Was für eine Frage, dachte ich amüsiert. In den vergangenen 20 Jahren hatte ich darauf stets dieselbe, befriedigende Antwort bekommen. Ich zweifelte schon lange nicht mehr.
    »Du tanzt umwerfend!«, brüllte ich. Sie riss die Augen auf und schaute mich verständnislos an. Ich verfluchte die Bassrhythmen, die durch den Saal dröhnten, und versuchte es noch einmal.
    »Umwerfend!« Deutlich formte ich jede Silbe mit den Lippen und zeigte mit dem Finger auf sie. Jetzt lächelte sie und strich sich eine Strähne aus der schweißnassen Stirn.
    »Möchtest du was trinken?« Ich kletterte von meinem Barhocker und stand nun dicht neben ihr. Sie atmete schnell und tanzte selbst im Stehen weiter.
    »Martini, mit viel Eis!«, rief sie.
    Sie stürzte das Glas hinunter und mengte sich wieder unter die Tanzenden. Ab und an sah ich ihre Arme, die sie nach oben warf, oder ihren Kopf, den sie so heftig herumschwang, dass ihr langer blonder Zopf sich auflöste und ihre Haare einen eigenen Rhythmus entwickelten. Ich verharrte auf meinem Platz und wartete ab. Das Tempo konnte sie unmöglich noch lange durchhalten. Sie trug eine hautenge, hellblaue Satinhose, ein bauchfreies Top und eindeutig keinen BH darunter. Kurzer Blickkontakt. Ich hatte mich nicht geirrt. Ein junger Mann schob sich in ihren Radius und wackelte mit den Hüften, als ginge es um sein Leben. Meine Schöne sprang an und balzte mit. Ich war jetzt sicher, sie würde meine Miss Freitagabend werden. Vera sang »Baby Won‘t You Dance With Me« , und die Menge sang mit. Die Anvisierte hüpfte auf mich zu und rief in den Lärm: »Na, komm schon, tanz mit mir!«
    Ich hatte zwar kein Wort verstanden, deutete aber ihre Lippenbewegungen richtig. Denn als ich lächelnd den Kopf schüttelte, schob sie schmollend ihre Unterlippe vor.
    »Das ist ’ne Disco. Hier kommt man zum Tanzen her!«
    Fast hätten ihre Lippen mein Ohr berührt, ich konnte sie riechen, ihren Körper, trotz des
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