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Bel Ami

Bel Ami

Titel: Bel Ami
Autoren: Detlef Uhlmann
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derselben Nacht ein Mädchen auf das Internatsgelände und zu einem Stelldichein mit uns vieren in den Bootsschuppen zu locken. Die anderen Jungen sahen mich aus großen Augen an, mein alter Freund Lupo, der weinerliche Joschi, der picklige Udo, und mir selbst wurde ein bisschen mulmig. War ich zu weit gegangen? Aber ich war jung, ich hatte nicht vor, mir eine derartige Blöße zu geben. Also verließ ich mich einfach auf mein gutes Aussehen und mein Glück, kletterte auf den Sims in unserem Zimmer – und sprang. Die Mülltonne unten vor dem Fenster kippelte, fiel aber dann doch nicht um.
    Ohne mich umzublicken, eilte ich los, hechtete über den eher symbolischen Zaun und rannte den kleinen Waldweg entlang, der unseren frühmorgendlichen Ausdauerläufen diente und mir daher vertraut war. Zehn Minuten später erreichte ich die Straße, die nach Schönebeck führte. Ich schnaufte noch, als ich hinter mir das Knattern eines Zweitakters hörte. Ich war überrascht, da ich wusste, dass um diese Zeit die Landstraße sonst kaum befahren war. Ein Typ, nicht viel älter als ich, hielt sein Moped an und wollte mich bis Schönebeck mitnehmen. Die Disco dort kannte er auch, die Hintertür anscheinend nicht. Elvis füllte gerade schmachtend die Pause zwischen der Livemusik, als ich das Tanzlokal betrat. Und dann sah ich sie, das Mädchen am Ende der Bar. Sie lächelte mich an und schien auf mich gewartet zu haben. Eine Einladung zum Bier – mehr ließ das Taschengeld nicht zu – eine kurze Unterhaltung über ihre Ausbildung, ein Blick auf die Uhr  – wir hatten den kompletten Rückweg vor uns, und ein bisschen Zeit im Bootsschuppen sollte ja auch noch bleiben – und dann wagte ich den Satz, der selbst mir zu früh und zu dreist erschien:
    »Hast du Lust, mit mir und meinen Freunden noch ein bisschen Spaß zu haben?«
    »Du bist verrückt! Warum sollte ich das tun?«
    »Weil du auch verrückt bist, Marlies.« Und dann nahm ich den ganzen Mut meiner vierzehn Jahre zusammen, rückte näher an sie heran und schaute ihr direkt in die Augen: »Und weil du dich hier doch ganz mächtig langweilst.«
    Sie warf ihren Kopf zurück und lachte laut auf. Kurz darauf verließen wir gemeinsam das Tanzlokal und machten uns auf den Weg zum Internat.
    Der Mond schien, eine Nachtigall sang, der Arm des Mädchens, das ich erst seit einer halben Stunde kannte, lag warm an meiner Hüfte und zitterte leicht. Kalt konnte ihr in dieser Sommernacht nun wirklich nicht sein, deshalb zog ich sie fester an mich.
    »Warte mal!«, damit machte sie sich von mir los und eilte auf die Bäume am Straßenrand zu. Kurz sah ich noch ihre weiße Bluse in der Dunkelheit aufleuchten, dann war sie verschwunden. Sie hatte es sich doch nicht anders überlegt? Noch einmal ein Blick auf die Uhr. Knapp eineinhalb Stunden noch, bis der Lehrgangskapitän die Tür zu unserer Stube öffnen und kontrollieren würde, ob wir alle in unseren Betten lagen. Ich wurde unruhig. Ein DKW fuhr lautstark vorbei, und im Scheinwerferlicht konnte ich sehen, wie sich Marlies durchs Unterholz kämpfte.
    »Aua! Scheiße!«
    »Alles in Ordnung, Marlies?«
    »Ich hab mir die Strümpfe zerrissen!« Sie klang ernsthaft wütend.
    »Zieh sie doch einfach aus!«
    Sie kicherte, hielt sich an mir fest und befolgte meinen Rat.
    »Sag mal, wie alt bist du eigentlich?«
    »Im Herbst werde ich 15«, antwortete ich wahrheitsgemäß und so tief wie möglich.
    »Ich glaub’s einfach nicht«, gluckste sie, »so einer wie du ist mir echt noch nie begegnet.«
    Wir liefen weiter.
    »Warum hast du eigentlich ausgerechnet mich gefragt?«
    »Weil du die Schönste warst. Außerdem schienen mir die anderen alle zu langweilig und zu bieder.«
    Hier hielt Marlies schon wieder an. Sie küsste mich leidenschaftlich und fuhr mit ihrer Zunge in meinem Mund herum, bis mir schwindlig wurde, weil ich vergessen hatte zu atmen.
    »Du bist wie ich«, keuchte ich.
    »Wie denn?«
    »Wild und gierig.« Und dabei schob ich meine Hand unter ihre Bluse und versuchte zu ertasten, was mich im Bootsschuppen erwarten würde.
    »Aber du bist der Erste, Detlef!«, stöhnte sie und rieb sich an meiner Hand. »Versprich es mir!«
    Vietel vor elf öffneten wir die Tür des Bootsschuppens. In einem umgedrehten Boot saßen Udo, Lupo und Joschi und glotzten erst Marlies und dann mich fassungslos an. Der Erfolg wirkte auf mich wie Spinat auf Popeye – ich platzte fast vor Stolz.
Startschuss
    Im August 1979 war es endlich so weit – die
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