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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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ein Satz von Hubert fiel ihm ein: »So wie Menschen tanzen, so sind sie auch im Bett.«
    Nunmehr befahl der Maitre geselliges Beisammensein. Zierholts kamen an den Tisch.
    »Das tat gut«, polterte der Vater, »jetzt fühle ich mich wieder richtig durchtrainiert.«
    Frau Zierholt zupfte an ihrem Formhalter, ehe sie sich setzte. Das Chiffontuch wurde erneut bemüht, und Lukas bestellte Sekt.
    »Kommt gar nicht in Frage, heute sind Sie mein Gast.«
    »Aber ich bitte Sie, Herr Zierholt, Sie haben mich mitgenommen, und ich... was meinen Sie dazu, Fräulein Zierholt?«
    »Sekt?... Prima!«
    Es war das erste Mal, daß Lukas das Wort an Renate richtete. Wie er dazu gekommen war, wußte er selbst nicht. Vielleicht lag es an der Sicherheit und Unternehmungslust, die sie an diesem Abend ausstrahlte?
    »Ich glaube, Herr Dornberg, wir werden Sie in Zukunft öfter hier sehen«, sagte Vater Zierholt beim ersten Zuprosten voll stolzer Wichtigkeit, als übergebe er ein Atomkraftwerk seiner Bestimmung.
    Auch die anderen Kursteilnehmer hatten an den Tischen Platz genommen. Die Monotonie der Trainingsplatte war einer gleichmäßigen Radioberieselung gewichen. Frau Zierholt neigte sich sibyllinisch zu Lukas.
    »Der Herr da drüben mit der Glatze... nein, der neben der grünen Dame — das ist Regierungsrat Kropf vom Kultusministerium!«
    »Sehr wichtiger Mann!« pflichtete das Familienoberhaupt bei.
    »Und die Blonde da, in dem roten Plissee, gell... die mit dem blassen Herrn... das ist Fräulein Geng und Herr Schönmeyer, unser Meisterpaar.«
    Fachlicher Kommentar des Vaters: »Waren letztes Jahr Neunte in Scheveningen!«
    Lukas erfuhr noch manches über die Klubmitglieder. Als er die zweite Flasche bestellte, beugte sich Zierholt kritisch in die Tanzfläche. »Verstehe bis heute nicht, wie Frau Plötzl in die B-Gruppe gekommen ist.«
    »Na hör mal, Vati, wo Feuchthaber doch bei ihnen wohnt.«
    Dieser Ton war Lukas an Renate neu.
    »Das will ich aber überhört haben, Kind! Du weißt ganz genau, wie ernst Herr Feuchthaber seine Arbeit nimmt. In seiner Kritik ist er absolut unbestechlich.«
    »Gestatten Sie«, flüsterte ein Jüngling von mittlerer Schilänge. Es war der Trampel mit dem Adamsapfel. Zierholt vollführte eine etwas zu joviale Geste, wie ein Filmkomparse, der einen Aufsichtsrat darzustellen hat. Willig folgte Renate dem Langen. Die Mutter rückte ihren Stuhl zurecht.
    »Sie sieht doch reizend aus, gell?«
    »Hat schon viel gelernt, unser Renatchen. — Na... na... das eben war etwas zu spät beigeführt. — Wie du, Grete!«
    »Jetzt kommt’s ja nicht mehr so genau darauf an, Karl-Heinz. — Ach ja, unser Renatchen! Mit ihr haben wir eigentlich nie Sorgen gehabt, gell? Ist immer fröhlich und doch vernünftig! Das Kleid hat sie sich selbst geschneidert.«
    Lukas schloß sich dem allgemeinen Lob mit stummem Nicken an. Ein Herr trat an den Tisch.
    »Herr Ingenieur?«
    »Ja, Herr Plattmann... so eine Überraschung! Ich dachte, Sie wären noch bei der Filiale?«
    »Nein, seit der Laden dort läuft, bin ich wieder hier.«
    »Das wird Ihrer Gattin auch angenehmer sein... immer nur Samstag, Sonntag, gell! Sie tat mir oft richtig leid.«
    »Ja, Else ist natürlich überglücklich. Übrigens soll ich schön grüßen.«
    »Ja, ist sie denn nicht hier?«
    »Leider... ihr Kreislauf... Sie wissen doch! Sie muß ein bißchen langsam tun.«
    »Ehemaliger Oberst«, flüsterte Zierholt.
    Das Gespräch verlagerte sich aus den Schablonen der Konvention in die der Medizin. Renate kehrte zurück, und Lukas, der wieder als »sehr lieber Bekannter« vorgestellt worden war, bot ihr seinen Stuhl an. Sie winkte ab, trank einen Schluck und wurde schon wieder engagiert. Dieser Ablauf wiederholte sich noch öfter, bis sich der ehemalige Oberst verabschiedete.
    »Ja, dann wollen wir mal«, verkündete der Vater, während er noch im Sitzen konditionssteigernde Rotationsbewegungen mit den Füßen ausführte. Die Alten entglitten, und Lukas bestellte die dritte Flasche.
    »Jetzt müssen Sie aber auch mal ran, Herr Dornberg!« befahl Zierholt bei der Rückkehr. Lukas, der aufgestanden war, schloß sein Jackett.
    »Sie haben vollkommen recht.«
    Und er entschwand mit vorgehaltener Wirtin. Frau Zierholt tanzte leicht, wie eine lang geschonte Feder. Schweigend und korrekt manövrierte Lukas die Festgeschnürte in Richtung Renate. Die wallte im Arm eines menjoubärtigen Schmalbrüstlers, der ihr sowohl in Größe als auch Temperament offensichtlich
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