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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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Raum niedriger erscheinen. Lukas räumte Kleider und Wäsche in den Schrank und rauchte sich heimisch. Dabei füllte er die polizeiliche Anmeldung aus: Lukas Dornberg, Graphiker... geboren... in... letzter Wohnort... Entnahm der Wohnungsordnung, daß Bäder vorher anzumelden und Damen um 22 Uhr zu verabschieden seien.
    Er griff nach einem Buch. Die Couch empfing ihn mit einem behaglichen Ächzen. Lukas hatte die Werke gesammelt, die in den letzten Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden waren, und bemühte sich, herauszufinden, nach welchem Schlüssel die Verleihungen erfolgt sein mochten.
    Es klopfte. Frau Zierholt trat ein.
    »Da hätte ich noch Ihre Schlüssel... oh!... ist aber nett geworden! Schon eine richtig persönliche Note. Gell?... Und bitte, wenn Sie einmal spät nach Hause kommen, fahren Sie leise in den Hof. Ihr Vorgänger war in dieser Beziehung sehr rücksichtsvoll. <<
    »Ich werde mir alle Mühe geben.«
    »Und dann will ich Ihnen noch das Sicherheitsschloß erklären.«
    Sie ging voraus zur Wohnungstür.
    »Hier sehen Sie: erst anheben, dann ‘rüberschieben und zudrehen! Der letzte, der nach Hause kommt, muß das machen, gell? Und hier, damit Sie wissen, ob Sie der letzte sind, haben wir eine Schiebetafel. Schieber links bedeutet >Anwesend< ; Schieber rechts >Ausgegangen<. Der Schieber mit >U. M.< ist Ihrer... Untermieter... Sie verstehen, gell?«
    »Vollkommen. Schieben wir ihn gleich nach rechts. Ich will zum Essen und vielleicht noch in ein Kino. Die Anmeldung habe ich ausgefüllt. Morgen, wenn Ihr Mann sie unterschrieben hat, bringe ich sie gleich zur Polizei.«
    »Ich sehe schon, wir werden gut miteinander auskommen. Gell?«
    »Das glaube ich auch. Gute Nacht, Frau Zierholt!«
    »Gute Nacht!«
    Der »Späte Schoppen« war eines jener gutbürgerlichen Lokale, in denen der Gast dadurch gewürdigt wird, daß man ihn, ohne vornehmen Aufwand um seine Person, in Ruhe läßt. Die einzige ihm bekannte Physiognomie, die Lukas hier vorfand, gehörte Hubert. Doch das besagte nichts, Hubert war eigentlich immer hier. Seine gegenwartsferne Beschäftigung, die eines Privatgelehrten nämlich, gestattete ihm diesen Luxus mit der Zeit. Er hatte ein schwerverständliches Buch über »Die Humorlosigkeit in der zivilisierten Welt« geschrieben und schwamm, wie es dem Autor eines solchen Werkes ansteht, freudig gegen den Strom. Allein wie er dasaß, im kurzgeschnittenen weißen Haar, in der Hand die nie ausgehende Zigarre und mit verschmitzten Augen die Umwelt gütig ignorierend, paßte auf ihn der Satz: »Für die innere Kultur eines Menschen gilt ein Maßstab: seine Fähigkeit, schöpferisch zu faulenzen.«
    Hubert glich einem nie versiegenden Quell von Lebensweisheiten, eine Eigenschaft, die dadurch erst pointiert wurde, daß es ihm zeit seines Lebens nicht gelingen wollte, sie für sich selbst anzuwenden. Glücklicherweise beantwortete er diese Grenzziehung seines Schöpfers nicht mit schmollender Resignation, sondern erkannte in der Rolle des streitbaren Theoretikers lächelnd sein Schicksal. Und fand er einen Partner für würdig, mit ihm durch den Nebel des Unverbindlichen in die Sphäre des Gesprächs vorzudringen, so konnte der von ihm nur profitieren.
    Gerade heute begrüßte es Lukas, ihn allein anzutreffen. Kathi, die rundliche Güte mit den Barockputtenbäckchen, kam an den Tisch. Seine Miene hellte sich für einen Augenblick auf, er lobte ihre neue Frisur und bestellte ein Bier. Es dauerte eine Weile, bis Hubert seine Gedanken weggeschlossen und zum Sprechen bereit war.
    »Bist du krank, oder hast du Kummer?«
    »Wieso?«
    »Du siehst danach aus.«
    »Tu ich das?«
    »Denk ökonomisch! Das Leben ist kurz. Ich höre.«
    Er nahm die Zigarre aus dem Mund und sah ihn ironisch-erwartungsvoll an.
    »Ich habe mich von Ingrid getrennt. Nur vorübergehend
    natürlich
    »Natürlich.«
    »...wir haben uns in letzter Zeit derart gestritten, daß ich dachte, es ist vielleicht besser, wir legen eine Pause ein.«
    »Sehr gut! Das wichtigste im Leben sind die Pausen.«
    »Wir haben ganz vernünftig miteinander geredet und beschlossen, uns für zwei Monate nicht zu sehen. Ich habe mich nach einem Zimmer umgeschaut; heute nachmittag hin ich ausgezogen.«
    »Mhm.«
    »Das Zimmer ist grausam, aher wozu für acht Wochen einen Haufen Geld hinlegen? Tagsüber bin ich in meinem Atelier...»
    »Mhm. Und nachher seid ihr dann wieder gut miteinander? Nächstenliebe nach Terminkalender! Weihnachten war doch
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