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Bekentnisse eines möblierten Herren

Bekentnisse eines möblierten Herren

Titel: Bekentnisse eines möblierten Herren
Autoren: Oliver Hassencamp
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können, so hatte er sich geirrt. Zierholts fühlten sich berauscht, wie nach einem großen Sieg. Sie hatten den Sprung auf das Parkett, das für sie die Welt bedeutete, gewagt und waren, in Lukas einen willkommenen Zeugen dieses Aufstiegs sehend, wild entschlossen, ihn nicht mehr loszulassen. Das Familienoberhaupt bat ins Wohnzimmer und holte eine Flasche Sekt.
    »Sie müssen unbedingt mal mitkommen, bestes Publikum! Es ist natürlich nicht leicht, Mitglied zu werden. Der Klub ist sehr... exklusiv... man braucht Referenzen. Aber wenn wir Sie mitnehmen...« Er öffnete den Drahtkorb. »Wissen Sie, für mich ist Tanz nicht nur Anknüpfung von Beziehungen, sondern vor allen Dingen Sport. Man ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Durch die Trainingsabende habe ich schon ein Pfund abgenommen.«
    Peng! Der Korken schoß dem angehenden Weltmann aus der Hand und an die Decke.
    »Der ist nicht kalt genug!«
    »Hol ein bißchen Konfekt, Renate! Du weißt ja, links oben, gell!«
    »So, dann wollen wir mal mit Herrn Dornberg anstoßen. Ist eigentlich schon lange fällig. Prösterchen!«
    »Prost!«
    Lukas schwankte zwischen Belustigung und Rührung. Wenn ihm die laute Fröhlichkeit der Zierholts, insbesondere das bramarbasierende Gehabe des Vaters, auch nicht lag, so war er doch dankbar, jetzt nicht allein in seinem Zimmer sitzen zu müssen, umgeben von Stückchen der Erinnerung und im Innern die Scherben.
    »Einen Stumpen? Ich ziehe diese Sorte jeder Zigarre vor... viel leichter und bekömmlicher.«
    Noch eine Ablenkung, dachte Lukas und griff zu.
    Schon beim ersten Zug mußte er an Huberts grünliche Importen denken; beim zweiten mußte er husten.
    Mit leuchtenden Augen und heißen Backen saß die Familie unter der Zuglampe; vor sich auf dem geblümten Wachstuch die schäumende Hausmarke und im Hintergrund neben dem unvermeidlichen Gummibaum das Buffet mit den Siegestrophäen Zierholtschen Jugendfleißes: Fußballpreise, Klubdiplome, Wimpel.
    Er war bei glücklichen Menschen zu Gast, und das war gesund.
    »Prösterchen, Herr Dornberg!«
    »Prost!«
    »Bitte greifen Sie zu! Wir haben noch genug draußen, gell!« Doch da hatte Herr Zierholt die Konfektschale schon in der Hand.
    »Also, ich muß sagen, ich finde es wirklich gemütlich, was, Grete? Wir kommen da vom Klubabend heim, treffen Herrn Dornberg auf der Treppe, und jetzt sitzen wir hier und trinken Sekt.«
    »Schon die zweite Flasche heute!«
    »Ja, richtig, schon die zweite. Man muß die Feste eben feiern, wie sie fallen. Stimmt’s, Herr Dornberg? — Prösterchen!«
    »Prost!«
    »Komm, Renatchen, du kriegst auch noch einen Schluck«, gönnerte er.
    Es entstand eine Pause. Dann hielt es Frau Zierholt nicht länger aus. »Können Sie denn die Kommode überhaupt stellen im Zimmer?«
    »O ja, großartig! Ich habe sie neben die Couch gerückt und das Nachttischchen an die rechte Wand zwischen Schrank und Regal.«
    »Und einen Sessel hat Herr Dornberg... einen ganz alten«, trumpfte der Vater auf. »Sehr schönes Stück übrigens... und Bücher, Bücher, Bücher!«
    Jetzt war es soweit. Da es sich um die Befriedigung ihrer Neugierde handelte, wuchs die Zierholtsche Familiensolidarität über sich selbst hinaus. Sie spielten einander die Bälle zu; Lukas mußte sich erklären.
    »Es kommt Ihnen natürlich komisch vor, wenn ich da mitten in der Nacht mit Möbeln anrücke, aber... sie stammen noch aus meinem Elternhaus. Ich hatte sie verliehen... also, um es ganz offen zu sagen: Ich war bis zum heutigen Abend verlobt.«
    Renate gab ein schluckaufähnliches Geräusch von sich. »Mach ein paar Appetithappen, Renatchen, und nimm die Sardellen dazu, gell!« überbrückte Frau Zierholt. Hüftbetont schmollte das Kind hinaus.
    »Das tut uns natürlich außerordentlich leid, Herr Dornberg, aber... mein Gott... so ist es halt im Leben.«
    »Und wir bitten ihn noch zum Sekt, Karl-Heinz! — Vielleicht wollten Sie lieber...«

    Lukas beschwichtigte sie. Er tat es aus ehrlichem Herzen. Sekt war jetzt genau das richtige, zumal die Qualität des Schaumweines seinen Gefühlen entsprach.
    »Da hörst du’s, Grete! So spricht ein Mann! Man muß das Leben nehmen, wie es ist. Kopf hoch, Herr Dornberg, Prösterchen!«
    »Prost!«
    Und sie tranken einander zu mit der polternden Männlichkeit zweier Zahlmeister in der Etappe.
    »Wo nur Renate so lange bleibt? Willst du ihr nicht ein bißchen helfen, Grete?« komplimentierte Zierholt seine Gattin in die Küche. Was er jetzt von sich gab, war
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