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Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman

Titel: Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
Autoren: Federica Bosco
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fange wieder an zu weinen wie eine Idiotin. »Er fehlt mir, mir fehlt ein Teil von mir selbst, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll …«
    Sie gibt mir ein Taschentuch und sieht mich mit unveränderter Miene an, dann, kaum dass ich mich ein wenig beruhigt habe, winkt sie mich zu sich und sagt leise: »Hören Sie mal, Monica, sehen Sie die junge Frau dort, die am Schreibtisch hinter mir telefoniert? Ihre Mutter ist vor zwei Tagen gestorben. Und die Frau an der Rezeption, die Ihnen den Ausweis ausgestellt hat? Sie muss dreimal die Woche zur Chemotherapie, und was mich selbst angeht, meine Fruchtblase ist beide Male auf diesem Stuhl hier geplatzt.« Dabei fährt sie mit ihrem Rollstuhl ein Stück zurück, damit ich ihn wahrnehme. »Also, Mädchen, wenn das Ihre ›Probleme‹ sind« - sie mimt die Anführungszeichen mit den Fingern -, »sind Sie hier wohl nicht an der richtigen Stelle.«
    Ich bin knallrot geworden und stammele vergeblich irgendwelche Entschuldigungen.

    »Sind Sie sicher, dass Sie schon zweiunddreißig sind? Sie kommen mir unreifer vor als meine zwölfjährige Tochter. Aber im Grunde ist das nicht Ihre Schuld. Es ist unsere Schuld, die der 68er, denn wir haben euch verwöhnt und es euch erlaubt, in Selbstmitleid zu verharren. Wir haben Hunger gelitten nach dem Krieg und wollten nicht, dass unsere Kinder auch nur einen Tag so wie wir schuften müssen, als wir alles neu aufgebaut haben. Und ich rede nicht einmal von der Shoah, das würden Sie sowieso nicht verstehen. Und was haben wir dadurch gewonnen? Eine Generation von Waschlappen, die darauf wartet, dass der Traumprinz auf einem weißen Pferd dahergeritten kommt und die Jobs an ihre Tür klopfen!«
    »Ich … es tut mir leid, Lilly, das wusste ich nicht, ich hatte keine Ahnung … niemand hat mir etwas gesagt.«
    »Was? Dass ich im Rollstuhl sitze? Meinen Sie etwa, das kann mich aufhalten? Oberstes Gebot für eine Journalistin: Niemals vom Schein beeindrucken lassen. Nur die Angst kann dich aufhalten, meine Liebe, und ich habe vor gar nichts Angst!«
    Ich schüttele beschämt den Kopf und mache Anstalten aufzustehen.
    »Wo wollen Sie hin? Unser Gespräch ist noch nicht beendet. Hat man Ihnen kein Benehmen beigebracht?«
    »Doch, aber ich denke, ich habe Ihnen schon genug Zeit gestohlen …«
    »Darauf können Sie wetten, aber ich verschwende niemals meine Zeit und bin davon überzeugt, dass dieses Gespräch Ihnen nützlich sein wird, und deshalb sage ich Ihnen noch etwas: Sie sind so unbedarft, dass Sie im Unterschied zu all den anderen Nachwuchsjournalisten, die
unbedingt für mich arbeiten wollen, sogar unbezahlt, sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, sich ordentlich zu kämmen oder einen Lebenslauf mitzubringen oder zu erfinden, dass Sie den Dalai Lama interviewt haben. Aber weil es nur besser mit Ihnen werden kann und Sie immerhin eine Vollidiotin wie Paris Hilton zum Weinen gebracht haben und ich Max sehr schätze, werde ich Ihnen noch eine Chance geben.«
    »Eine Chance?«
    »Verblüffen Sie mich. Oder vielmehr, verblüffen Sie sich selbst, machen Sie etwas, das Sie sich selbst nicht zugetraut hätten, und dann kommen Sie wieder. Sie haben zwei Wochen Zeit.«
    Da stehe ich nun also wieder unten auf dem Times Square, benommen wie eine Mücke, die einen Schlag mit der Tortenschaufel abbekommen hat. Betäubt wegen der miserablen Figur, die ich abgegeben habe, und weil ich nicht die blasseste Ahnung habe, wie ich eine Frau wie Lilly Horowitz verblüffen kann.
    Die wäre nicht mal verblüfft, wenn ich ihr den leibhaftigen Elvis Presley präsentieren würde.
    Ich werde unterwegs darüber nachdenken, nachdem ich mir einen schönen Bagel mit Lachs und Frischkäse geholt habe.
    Wenn ich nicht esse, denke ich nach, und wenn ich nachdenke, weine ich - vielleicht sollte ich wieder anfangen zu rauchen. Aber ich habe nicht das richtige Gesicht dafür. Ich sehe mit Zigarette immer aus wie ein Teenager, der noch nicht zu inhalieren gelernt hat.
    Da ich nichts zu tun habe, das mich auf andere Gedanken bringen könnte, bleibt mir nur die Möglichkeit,
die beiden alten Inhaberinnen des Ladens zu besuchen, in dem ich im vergangenen Jahr gearbeitet habe: Miss H. und Miss V.
    Wie ich sie kenne, werden sie sich nicht gerade vor Freude überschlagen, mich zu sehen. Aber sie waren auf ihre Weise ganz nett zu mir.
    Zwischen einem Peitschenhieb und dem nächsten, meine ich.
    Ich gehe die Fifth Avenue hinauf, die mir noch nie so lang vorgekommen ist, aber es
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