Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman

Titel: Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
Autoren: Federica Bosco
Vom Netzwerk:
das sich am Toilettentisch der Mutter vergriffen hat. Wenn ich ihr auf der Straße begegnen würde, würde ich sie für eine Stadtstreicherin halten, aber es rührt mich, wie sie da in ihrer Ecke sitzt und versucht, die verzerrten Signale in ihrem Gehirn zu entschlüsseln, ganz sich selbst überlassen, während sie auf das Ende wartet.
    Das Leben ist das reinste Würfelspiel.
    Unschlüssig nähere ich mich ihr. Sie hat mich ja nie besonders beachtet, als sie noch ganz bei sich war. Wer weiß, ob sie sich jetzt an mich erinnert.
    Ich berühre sie sachte am Arm, und sie dreht sich abrupt um und reißt die Augen auf wie Kind, das seine Lieblingspuppe sieht.
    Sie lächelt, und ich sehe, dass sie keine Zähne mehr hat. Mir bricht es das Herz, und ich muss schnell den Blick abwenden, um nicht vor Mitgefühl zu zerfließen.
    Greisenalter und frühe Kindheit sind sich so ähnlich, nur dass alte Leute kein Entzücken hervorrufen wie Babys, obwohl sie sich genauso verhalten, sich vollkleckern, nicht richtig sprechen können und gefüttert werden müssen.
    Das Deprimierendste ist der Verlust von Würde. Erleben zu müssen, wie der eigene Körper zu einem hilflosen
Wrack wird, nachdem man sich das ganze Leben lang bemüht hat, ein anständiger Mensch zu sein, und hart an seinem beruflichen Fortkommen gearbeitet hat. Man hat Opfer gebracht hat, um ein Haus kaufen zu können, eine Familie gegründet, geliebt, gelitten und gekämpft, und am Ende ist das der Lohn: Man vegetiert nur noch dahin und wird zu einer Last für das Gesundheitswesen.
    »Miss H., erinnern Sie sich an mich? Ich bin Monica, aus dem Laden.«
    Sie lächelt mich weiter an. Ich glaube nicht, dass sie mich erkennt.
    »Monica, die Italienerin, die immer zu spät gekommen ist …«
    »Victoria.«
    »Nein, nicht Victoria, Monica.«
    Sie sieht mich unverwandt an mit ihrem winzigen, runzligen Gesicht, das von einem Kranz weißer Haare, fein wie Seidenfäden, umrahmt ist, ihren mit Lippenstift bemalten Wangen und dem leeren Mund, während die arthritisch verkrüppelten Hände über mein Gesicht streichen, als wollte sie mich auf diese Weise identifizieren.
    Ihr Zeigefinger streift über meine Stirn, gleitet die Wange hinunter und wieder hinauf zur Nase.
    »Tut es dir noch weh, Victoria?«
    »Nein«, antworte ich, »es tut nicht mehr weh.«
    »Ich habe den Stein nach dir geworfen, weil du mich nicht mit dem Ball hast spielen lassen.«
    »Ja, ich erinnere mich, es hat geblutet.«
    »Unsere Mama hat mich bestraft, ich bekam eine Woche Stubenarrest.«
    Sie lacht und senkt den Kopf.

    »Du bringst mich jetzt nach Hause, ja?«
    »Dazu ist es noch zu früh, Henrietta.«
    »Aber Mama hat gesagt, dass du mich nach Hause bringst.« Sie runzelt enttäuscht die Stirn.
    Eine müde wirkende Ärztin kommt herein und bleibt an der Tür stehen.
    »Sind Sie eine Verwandte?«, fragt sie freundlich.
    »Nein, ich habe vor einiger Zeit bei ihr gearbeitet. Jetzt bin ich wieder in der Stadt, und man hat mir gesagt, dass sie hier ist. Aber ich wusste nichts von ihrem Zustand. Sie verwechselt mich mit ihrer Schwester und denkt, dass ich gekommen bin, um sie mit nach Hause zu nehmen. Deshalb stecke ich gerade ein bisschen in der Zwickmühle.«
    »Mich verwechselt sie häufig mit ihrer Mutter. Ich glaube, sie hatten ein sehr enges Verhältnis zueinander. Diese Krankheit ist verheerend und unglaublich frustrierend für die Angehörigen. Es gibt Tage, da ist es, als hätte man eine Lampe angeknipst, die Patienten sind auf einmal reaktionsfähig und bei klarem Verstand. Doch dann versinken sie wieder im wirren Schattenreich ihrer Erinnerungen und werden manchmal regelrecht aggressiv. Noch hat sie dieses Stadium nicht erreicht, aber das Traurige ist, dass sie noch sehr lange leben kann und niemanden mehr hat auf der Welt, seit ihre Schwester gestorben ist.«
    »Sie waren unzertrennlich.«
    »Ermüden Sie sie nicht zu sehr, Aufregung tut ihr nicht gut.«
    »Keine Sorge, ich gehe gleich wieder.«
    Die Ärztin geht hinaus, und ich höre, wie sie einen Patienten zu beruhigen versucht, der sinnloses Zeug brüllt.
    Ich halte es hier nicht mehr aus.

    »Ich muss jetzt gehen, Henrietta, sei ganz ruhig, später komme ich und hole dich.«
    Sie lässt weiter den Kopf hängen, doch als ich an der Tür bin, höre ich sie sagen: »Ich weiß, dass du das Handy nicht genommen hast, das war Stella.«
    Das Handy? Sie erinnert sich offenbar daran, wie meine hinterhältige Kollegin Stella ihr Handy gestohlen hatte und die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher