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Bei Interview Mord

Bei Interview Mord

Titel: Bei Interview Mord
Autoren: Oliver Buslau
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keine Brille, und einen besonders dicken Bauch hatte ich auch nicht.
    Ich wandte mich von meinem Spiegelbild ab und setzte mich auf die Bettkante. Dann schaltete ich den Radiowecker ein und arbeitete mich durch die Frequenzen.
    Warum sollte ich Juttas Wunsch nicht nachkommen und die Sendung hören? Wenn sie sich so darüber freute.
    Ich hatte Radio Wuppertal als Wecksender eingestellt. Der lief auf 107,4. Ich drehte an dem Rädchen und fand erst mal WDR 2. Ein paar Umdrehungen, und es ertönte ein Geräusch, als würden kleine Katzen gequält. Die Digitalanzeige brauchte eine Weile, bis sie mir sagte, dass ich WDR 3 gefunden hatte. Keine Katzen, sondern moderne Musik. Dann kam Eins live mit diesem Geplapper, das sie Hip-Hop nannten, und Deutschlandradio, wo gerade eine politische Sonntagspredigt lief. Ich drehte den Knopf millimeterweise durch das Wasserfallgetöse, und dann, irgendwo bei der 105, sagte plötzlich eine Stimme: »… und nach den Nachrichten haben wir noch etwas Zauberhaftes für Sie. Wir schalten raus zu unserer Reporterin Jutta Ahrens. Hallo, Jutta? Verrat den Hörern doch mal, wo du dich gerade befindest.«
    Das Display holte auf und schrieb: »Radio Berg«.
    Dann Juttas Stimme: »Peter, wir stehen hier auf der Treppe des Bergisch Gladbacher Rathauses, wo unser Interviewpartner gleich erscheinen wird. Jeden Moment ist es so weit, und er wird hier aus der Rathaustür kommen.« Jutta kicherte, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war.
    Der Moderator im Studio nahm das Gespräch wieder an sich. »Danke, Jutta. - Hören Sie also nach den Nachrichten mehr…«
    Musik setzte ein. Ich legte mich aufs Bett und überlegte, ob ich von Juttas neuem Job nicht irgendwie profitieren konnte. Vielleicht würde sie mich mal als Interviewpartner aussuchen? Ein Detektiv - so was interessierte die Leute doch! Und ich hätte ein bisschen Werbung.
    Ich doste vor mich hin, kriegte mit, wie der Nachrichtensprecher irgendwas von Papst Benedikt erzählte, der im Vatikan die Kaugummisteuer einführen wollte.
    Ich schreckte auf. Kaugummisteuer? Was? Nein, da hatte ich was verwechselt.
    Es klingelte an der Haustür. Das war bei mir in letzter Zeit ähnlich selten vorgekommen wie das Telefonklingeln. Auf einen Auftrag brauchte ich mir keine Hoffnungen zu machen. Potenzielle Kunden erschienen normalerweise nicht unangemeldet.
    Der Mann, der die Treppe heraufkam, war schwer einzuordnen. Er war leger gekleidet: schwarzes T-Shirt, blaue Jeans, braune Schuhe. Als er meine Etage erreicht hatte, lächelte er mir zu, als wäre er der Lottobote.
    »Guten Tag!« Er blieb stehen und blickte mich durch eine randlose Brille aufmerksam an. »Sind Sie Herr Remigius Rott?«
    Ich nickte und bemerkte eine schwarze Mappe in seiner Hand. Versicherung? Staubsauger? Zeugen Jehovas? Nein, die fragten nicht nach dem Namen.
    »Da habe ich ja endlich mal Glück. Mein Name ist Norbert Michels. Finanzamt Wuppertal. Darf ich reinkommen?«
    Fast hätte ich losgelacht. Finanzamt war gut! Finanzamt war sogar sehr gut! Was wäre ich froh gewesen, Steuern bezahlen zu dürfen. Aber ohne Einkommen? Oder musste man jetzt schon was bezahlen, wenn man nichts verdiente? Ein neuer Coup des Finanzministers?
    »Sehr erfreut«, sagte ich etwas übertrieben. »Kommen Sie rein. Leider kann ich Ihnen nichts anbieten, ich hab nichts im Haus.«
    Das Lächeln auf dem Gesicht des Mannes verbreiterte sich zu einem Grinsen. Ich führte ihn ins Wohnzimmer, das sogar einigermaßen aufgeräumt war. Michels nahm auf dem Sessel gegenüber dem Fernseher Platz und rückte ganz nach vorn an die Kante. Er blätterte routiniert in seinen Unterlagen, während ich in mein Sofa sank. Nebenan liefen immer noch die Radio-Berg-Nachrichten.
    »Bringen Sie mir vielleicht Geld?«, fragte ich. »Ich könnte welches gebrauchen.«
    Der Mann lachte, sah mich aber nicht an und blätterte weiter.
    »Schön, Herr Rott. Sehr schön gesagt. Aber nur der, der auch Steuern zahlt, kann vom Finanzamt Geld zurückbekommen.«
    So schlicht, so wahr, dachte ich. Diesmal lachte ich mit. Ein bisschen gequält vielleicht.
    Dann wurde er ernst. »Ich mach's kurz, dann bin ich auch gleich wieder weg. Also.« Er las aus seinen Unterlagen ab: »Sie fahren einen roten Golf, Baujahr 1989. Da wären im Dezember 354 Euro und 63 Cent Kfz-Steuer fällig gewesen. Sie wurden mehrmals angemahnt, haben aber auf die Mahnungen nicht reagiert.« Es klang wie eine Litanei, die er so oder ähnlich schon tausendmal runtergebetet hatte.
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