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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler
Autoren: Britta Konradt
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Gespräch, sondern nur noch einen Fragebogen. Und am Ende übernimmt der Anwalt die Aufgabe des Arztes und erklärt dem Patienten, was der Arzt gemacht hat.

    Aber ich glaube, dass es unterm Strich bei Weitem größere positive Folgen hat, wenn immer mehr Menschen ihre Behandlungsverläufe überprüfen lassen und gegebenenfalls auch Ansprüche geltend machen. Ich ermutige jeden, dies zu tun. Denn dieser Schritt befreit von dem Gefühl, abhängig und ausgeliefert zu sein, und macht den Patienten zu einem mündigen Gegenüber des Arztes und zu dessen Partner mit einem gemeinsamen Anliegen. Arzt wie Patient wollen die Krankheit heilen. Nur gemeinsam können sie es schaffen. Und wenn einer auf diesem Wege einen Fehler macht, dann muss man darüber reden und den Schaden ausgleichen und nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Nur so kommt die Beziehung auf eine gesunde Basis.
    Wenn einem Autofahrer ein anderer hinten aufgefahren ist, lässt er das ja auch nicht auf sich beruhen. Der Schaden wird aufgenommen und – meistens über die Versicherung – reguliert. Es ist dabei egal, warum der Unfall geschehen ist, ob der Fahrer einen Moment geträumt hat, ob plötzlich das Handy klingelte, ob er es ein bisschen zu eilig hatte. Vielleicht
ist der Angefahrene im ersten Moment wütend und schreit: »Du Blödmann, kannst Du nicht aufpassen?« Aber im Grunde weiß er, wie jeder andere auch: Das kann jedem passieren. Wer einem anderen hinten reinfährt, tut das nicht um den anderen zu schädigen, bewusst und gewollt – so wenig wie in den allermeisten Fällen der Arzt, der einen Fehler macht. Zahlen muss er trotzdem, denn es war sein Fehler, und er muss dem Geschädigten den Schaden ersetzen. Solche klaren Regeln erleichtern das Miteinander.
    In der Medizin sind wir noch weit davon entfernt, diese Form der Schadensregulierung als selbstverständlich zu betrachten. Zum Teil hängt das damit zusammen, dass es hier viel schwieriger ist, Fehler eindeutig zu identifizieren und den Schaden diesen zuzuschreiben. Aber wo immer es möglich ist, würde ich jeden ermutigen, dies zu tun. Und zwar nicht nur, weil mein Sinn für Gerechtigkeit das so vorgibt. Sondern auch, weil ich davon überzeugt bin, dass es dem Verhältnis zwischen Arzt und Patient guttut.

    Für mich ist ein guter Arzt jemand, der dem Patienten zuhört, der sein soziales Umfeld, seinen Beruf, seinen Kontext, seine Einstellungen kennt, aber auf der anderen Seite auch die Courage hat, bestimmte Fragen offen zu lassen. Ein guter Arzt ist einer, dem seine Patienten vertrauen und der das nicht missbraucht.
    Und ein guter Patient ist für mich jemand, der mit seinem Arzt zusammen versucht, seine Krankheit zu heilen. Er tritt dem Arzt mündig gegenüber, statt sich passiv zu unterwerfen und sich, wenn etwas schief geht, als Opfer zu sehen. Jeder weiß, dass auch Ärzte Fehler machen können und dass das schreckliche Folgen haben kann. Blindes Vertrauen hilft nicht dagegen. Mitdenken und aktiv den Heilungsprozess mitzugestalten dagegen schon. Viele Fehler wären vermeidbar, wenn Ärzte und Patienten intensiver miteinander ins Gespräch kämen. Manchmal rettet die einfache Frage »Könnte es sein, dass Sie da einen Fehler gemacht haben?« sogar Leben.
Gerade bei komplexen und multiplen Krankheitsbildern ist der Patient oft der Einzige, der den Überblick hat.
    Das Wissen um die eigenen Rechte löst den Patienten aus der Abhängigkeit und es befreit den Arzt von dem Druck, einen eingeschlagenen und als falsch erkannten Weg weitergehen zu müssen, statt ein vernünftiges Fehlermanagement zu betreiben. Wer einen Fehler macht, muss den Schaden regulieren – und nicht so tun, als ob es kein Fehler war.

    Nur so kann Vertrauen entstehen. Es ist nicht das blinde Vertrauen eines Kindes, sondern das erwachsene Vertrauen eines mündigen Bürgers. Dazu möchte ich beitragen, wenn ich Menschen ermutige, ihre Ansprüche geltend zu machen. Und dort, bin ich überzeugt, liegt der Weg nach vorne.

Rechtliche Grundlagen
    Das Arzthaftungsrecht hat bis zum Inkrafttreten des neuen Patientenrechtegesetzes keine eigene rechtliche Grundlage. Es stützt sich auf ein paar wenige Paragrafen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Es gilt Richterrecht – das heißt, die vorangegangene Rechtssprechung bestimmt, wie ein Richter etwas bewertet. Und wenn es noch nicht bewertet ist, betritt er im wahrsten Sinne des Wortes Neuland. In diesem Buch sind deshalb nur wenige Paragrafen überhaupt erwähnt. Die für den
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