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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach den blühenden Aprikosenbäumen und den wilden Kirschen. Heimweh nach Rußland … es ist stets das größte Gefühl eines Russen in der Fremde.
    *
    Bis heute weiß keiner, welchen Weg Achmed Arbadja gefahren war. Er selbst schwieg darüber, Bettina konnte es nicht erklären. Für sie sah die Wüste in allen Himmelsrichtungen gleich aus … Sand, Himmel, flimmernde Hitze, Staubwolken, das Gefühl unendlicher Verlassenheit. Nur ein Mensch wie Arbadja hatte Namen für Sandhügel, die keinem anderen auffallen. Nur für ihn war ein gebleichtes Kamelgerippe, ein ausgetrocknetes Wadi, ein unbekannter Salzsee, von Wanderdünen zugewehte Bäume und Büsche ein Zeichen am Wege. Wie das Innere seiner Tasche kannte er die Sahara.
    Dimitri lag auf seinem Bett und schlief, als Arbadja und Bettina in Ain Taiba eintrafen. Nicht von Fort Lallemand, wie alle vermuteten, sondern von Süden her, aus dem Erg heraus, von der geheimnisvollen Karawanenstraße, die von Ghadames bis nach In Salah führt und die noch kein Europäer entdeckt, geschweige denn entlanggezogen war.
    Plötzlich waren sie da, spukhaft aus den Dünen auftauchend, fast lautlos umfuhren sie die drei Bohrtürme, die wie Skelettfinger in den Nachthimmel ragten, und hielten vor der großen Verwaltungsbaracke. Die Nachtwache, in einem Wachhäuschen neben dem Maschinenhaus, schlief. Es war gegen drei Uhr morgens. Was sollte hier schon passieren? Die Zeit der Rebellenüberfälle war vorbei. Niemand zerstörte mehr die Pipeline oder steckte die Bohrtürme in Brand, denn auch Algerien verdiente gut an den Erdöl- und Erdgasvorkommen, die französische Geologen entdeckt und erschlossen hatten. Wozu also noch die dumme Wache?
    Der leitende Ingenieur von Ain Taiba staunte nicht schlecht, als man an seine Tür klopfte. Er sah auf die Uhr, fluchte und sprang aus dem Bett. Als er die Tür aufriß und auf dem Flur ein staubbedecktes Mädchen mit einem grinsenden Araber stehen sah, fragte er nicht lange, wer das sein könnte. Er seufzte tief auf, schüttelte den Kopf, trat zur Seite und zeigte ins Zimmer. »Treten Sie ein, Mademoiselle«, sagte er nicht gerade ausgesprochen freundlich. »Seit Tagen erwarten wir Sie. Entschuldigen Sie meine Aufmachung, aber ich bin auf nächtliche Besuche nicht eingerichtet.« Er war einen Bademantel über seinen Schlafanzug, machte Licht und betrachtete Bettina, die zögernd ins Zimmer kam. Eingefallen und elend sah sie aus, mit tiefliegenden Augen und unendlich müde. Arbadja, der ihr folgte, zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen. Nur machte er den Eindruck, als sei er in einen Mehltrog gefallen, so mit Staub überzogen war er.
    »Sind Sie krank?« fragte der Ingenieur und holte aus einem Eisschrank Wein und Mineralwasser.
    »Ich habe gerade mit knapper Not ein Fieber überstanden.« Bettina setzte sich an den Tisch, der vor dem Fenster stand. Nun, da sie am Ziel war, verließen sie alle Kräfte. Sie kam sich vor wie hundert Jahre alt, gebrechlich und von einer unstillbaren Sehnsucht nach ewiger Ruhe.
    »Trinken Sie.« Der Ingenieur hielt ihr ein großes Glas mit kaltem Wasser vermischten Weins vor den Mund. Dann sah er sich um zu Achmed Arbadja und musterte ihn mit einer gewissen Hochachtung. »Ihr seid durch den Erg gekommen?«
    »Ja!« antwortete Arbadja kurz.
    »Das war doch Selbstmord!«
    »Für einen Europäer«, sagte Arbadja stolz.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis Bettina sich soweit erholt hatte, daß sie klarer denken und handeln konnte. »Ich werde Sotowskij holen«, sagte der Ingenieur. »Nein, bleiben Sie sitzen, Mademoiselle, ich hole ihn allein.«
    Das hatte seinen guten Grund. Die Gemeinschaft von Ain Taiba hatte Dimitri nach der Prügelszene formell ausgestoßen. Man warf sein Bettgestell aus der Baracke, und er schleppte es in den alten, baufälligen, nicht mehr gebrauchten Materialschuppen, der noch aus den Anfängen der Bohrtätigkeit übriggeblieben war, und zwischen alten Maschinenteilen, verrosteten Eisenträgern und abgeschabten Bohrköpfen, zwischen Kisten und Säcken, in denen sich Skorpione und Sandvipern eingenistet hatten, schlief Dimitri, hauste wie ein Einsiedler, mußte von seinem ersparten Geld sich das Essen kaufen – aber erst dann, wenn die anderen des Trupps schon gegessen hatten, und meist war es nur ein halber Teller, der übrigblieb, und niemand kümmerte sich um den verrückten Iwan, der sibirische Manieren einführen wollte, wie der Vorarbeiter gebrüllt hatte.
    Dimitri schrak hoch, als ihn jemand
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