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Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
Autoren: Klaus Mainzer
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Gravitationsfelder ersetzt werden. Nach der Potentialtheorie genügt die Kenntnis der jeweiligen Massen Verteilung, um eine Gravitationskraft zu berechnen, die auf einen Körper im Gravitationsfeld dieser Massen wirkt.
     
     
3. Materie und Materialismus im 19. Jahrhundert
     
    Die Physik des 19. Jahrhunderts versuchte systematisch, Newtons Kräfteprogramm auf alle Erscheinungen der Materie zu übertragen. Ein erstes Beispiel betrifft die elektrostatischen Kräfte von geladenen Körpern. Geladene Körper waren technisch reproduzierbar, und die Kraft einer solchen Quelle auf geladene Testkörper (d.h. ihre Impulsänderung) konnte mechanisch gemessen werden. Empirisch bekannt war ferner, daß die Kräfte zwischen geladenen Körpern anziehend sind, falls die Körper verschiedene Ladungen haben, daß sie aber abstoßend sind für Körper derselben Ladung. Die Kraft wirkt (wie bei der Gravitation) auf der Verbindungslinie der beiden Ladungen. Durch Beobachtung und Test zeigt sich, daß das Verhältnis zweier Ladungen durch das Verhältnis entsprechender Kräfte definiert werden kann. Damit kann eine Ladung relativ zu einer Einheitsladung definiert und gemessen werden. 1785 zeigte Coulomb experimentell mit einer Torsionswaage, daß die Kraft zwischen zwei Ruheladungen umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes variiert. Daraus ergibt sich Coulombs Ladungsgesetz, das er heuristisch in Analogie zu Newtons Gravitationsgesetz gefunden hatte. {19}
    Das Coulombsche Gesetz ist wie das Newtonsche ein Fernwirkungsgesetz. Das ändert sich mit der Anwendung der Potentialtheorie auf die Elektrostatik. Dann lassen sich nämlich, wie Poisson erkannte, Coulombs Kräfte in Analogie zur Theorie der (schwachen statischen) Gravitationsfelder berechnen. Allerdings existieren auch Unterschiede zwischen Gravitationstheorie und Elektrostatik: Es gibt zwar immer eine Anziehung (Gravitationskraft) zwischen Massen mit demselben (positiven) Vorzeichen, aber nur zwischen Ladungen mit verschiedenen Vorzeichen, während sich solche mit gleichen Vorzeichen abstoßen.
    Neben elektrischen Ladungen sind magnetische Kräfte eine seit altersher bekannte Erscheinungsform der Materie. Zentral ist wieder eine Polarität der Materie: Positiver und negativer Magnetismus. Wichtige Unterschiede zwischen Elektrizität und Magnetismus waren früh bekannt: Man kann positiven und negativen Magnetismus nicht voneinander trennen. Es gibt keine Quellen, sondern nur Doppelquellen des Magnetfeldes. Magnetische Wechselwirkungen wurden auch an magnetisierten Materialien wie Eisen beobachtet. Das magnetische Feld eines Eisenmagneten ist anschaulich durch die Kraftlinien von Eisenspänen zwischen positivem und negativem Pol realisiert, die zudem die Richtung der Kraft anzeigen. Im nahezu homogenen magnetischen Feld der Erde kann die Größe und die Richtung des magnetischen Feldvektors durch das mechanische Drehmoment definiert werden, das sich an einer frei schwingenden Magnetnadel mit bestimmtem magnetischem Moment zeigt.
    Zwischen einem Magneten und seiner Ladung in Ruhe existieren keine Kräfte. 1819 hatte Oersted beobachtet, daß Drähte mit elektrischem Strom Ablenkungen von Magnetnadeln erzeugen. Ströme sind also nun Quellen magnetischer Kraftfelder. 1820 formulierten Biot und Savart das Grundgesetz der Kräfte zwischen zwei Stromdichten – in Analogie zum Coulombschen Gesetz der Kräfte zwischen zwei Ladungsdichten (aber verschieden in ihrem vektoriellen Charakter). Wie das Coulombsche Gesetz führt auch das Biot-Savartsche Gesetz von einem Fernwirkungsgesetz der Materie auf Feldgesetze, deren Gleichungen durch die Potentialtheorie berechnet werden können. Die einzige Verbindung zwischen Elektrostatik und Magnetostatik war bisher allerdings nur Oersteds Entdeckung, daß magnetische Felder durch Ströme, d.h. bewegte Ladungen erzeugt werden können.
    Es ist das geniale Verdienst von Michael Faraday (1791– 1867), die umgekehrte Frage gestellt und beantwortet zu haben: Kann elektrischer Strom durch Magnetfelder erzeugt werden? Faraday beobachtete, daß in einem Gebiet, wo das magnetische Feld sich mit der Zeit ändert, elektrische Felder erzeugt werden (z.B. durch Bewegung eines geschlossenen Drahtes im magnetischen Feld eines Stabmagneten). {20} Die mathematischen Präzisierungen lieferte jedoch erst James Clarke Maxwell (1831–1879). Historisch stand Maxwell zunächst in der Tradition von Thomson (Lord Kelvin), der alle materiellen Erscheinungen durch
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