Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben

Titel: Beck Wissen - Materie - Von der Urmateria zum Leben
Autoren: Klaus Mainzer
Vom Netzwerk:
kristallisiert sich der Begriff der trägen Masse heraus, der in der Neuzeit an die Stelle des scholastischen Begriffs der ,Materiemenge‘ (quantitas materiae) tritt. {14}
    Demgegenüber reduziert Descartes (1596–1650) die Materie auf die geometrische Eigenschaft der Ausdehnung (res extensa), wobei Härte, Gewicht, Farbe u.a. nur akzidentiell sind. Als Ausdehnung ist die Materie nach Descartes zwar homogen, tritt jedoch in unterschiedlichen Konzentrationen von Korpuskeln auf, deren Auseinanderstreben und Kontakt durch die Stoßgesetze reguliert wird. Stoß und Kontaktwirkungen waren das Grundschema einer mechanistischen Erklärung der Materie.
    Eine Präzisierung der cartesischen Materietheorie versuchte Christiaan Huygens (1629–1695). Bereits Descartes hatte eine mechanistische Erklärung der Schwere vorgeschlagen, wonach eine zentrifugal um die Erde wirbelnde feine Materie die gröberen Materieteile nach innen treibt. Historisch erinnert dieses Modell an die Wirbeltheorie des Anaxagoras, die nun durch Stoß-und Kontaktwirkungen materieller Korpuskeln mechanistisch begründet wurde. Huygens nahm dazu einen kugelförmigen Wirbel an, wonach sich die Teilchen einer subtilen oder fluiden Materie in allen möglichen Richtungen um die Erde drehen. Wenn sich nun zwischen diesen schnell bewegten fluiden Materieteilchen gröbere Teile befinden, die deren Bewegung nicht folgen können, so wird die stärkere zentrifugale Tendenz der ersteren sie in die Richtung zum Erdmittelpunkt treiben.
    Huygens nahm also zur Erklärung der Schwere eine besondere Materiesorte von bestimmtem Feinheitsgrad an. Ebenso wurde von ihm eine besondere Materie als Träger magnetischer und elektrischer Erscheinungen postuliert. In einem Lichtäther aus einem sehr feinen Stoff sollte sich Licht als elastische Welle ausbreiten. Zur Erklärung lichtundurchlässiger Körper wie z.B. Metalle wurden weiche Korpuskeln angenommen, die zwischen den harten Metallkorpuskeln die Ätherstöße der Lichtteilchen abfangen. Diese ad-hoc-Hypothesen zeigen die Schwierigkeiten, in die eine mechanistische Auffassung gerät, die zur Erklärung der Materie keine anderen Eigenschaften als Größe, Gestalt und Bewegung zulassen will. Newton wird daher später die Erklärung von Lichtdurch Schwingungen eines hypothetischen Äthers verwerfen.
    Leibniz (1646–1716) suchte nach einer Verbindung des neuzeitlich-mechanistischen und aristotelisch-dynamischen Mate-riebegriffs. In seiner Monadentheorie werden materielle Körper als Erscheinungsformen von Aggregaten einfacher Substanzen (Monaden) gedeutet. Die Leibnizschen Monaden sind aber keine toten Atome à la Demokrit und Gassendi oder Korpuskeln à la Descartes und Huygens, sondern Kraft- und Energiezentren mit graduell unterschiedlichen Möglichkeiten. Sie spannen ein kontinuierliches Kraft- und Energiespektrum auf, in dem nach Leibniz keine Sprünge möglich sind.
     
     
2. Materie in der klassischen Mechanik
     
    Zusammengefaßt setzt die Newtonsche Mechanik (1687) drei Axiome für die Grundbegriffe Raum, Zeit, (beschleunigende) Kraft und Masse voraus: 1. das Trägheitsgesetz, 2. das Axiomder Kräfte, wonach die Änderung der Bewegung einer Masse nach Größe und Richtung der beschleunigenden Kraft entspricht und 3. das Gesetz über die gegenseitige Einwirkung zweier Körper. Die Aufgabe der Physik besteht dann nach Newton darin, die Ursachen von beobachtbaren Bewegungen von Massen durch konkrete Kräfte zu erklären. Berühmtes Beispiel Newtons ist das Gravitationsgesetz, aus dem sich unter Voraussetzung der Mechanikaxiome die Keplerschen Planetengesetze ableiten lassen. {15}
    Da (träge) Masse als Maß für die Trägheit eines Körpers gegenüber Bewegungsänderungen aufgefaßt wird, muß dafür ein entsprechendes Bezugssystem vorausgesetzt werden. Newtons metaphysische Annahme eines letztlich nicht beobachtbaren immateriellen‘ absoluten Raumes erweist sich aber als überflüssig. Es genügt, ein konkretes Bezugssystem (z.B. Erde) zu wählen, in dem das Trägheitsgesetz approximativ realisiert ist, also freie und ungestörte Körper sich gleichförmig und geradlinig bewegen (Trägheits- bzw. Inertialsystem). Allgemein gelten dann die auf ein konkretes Inertialsystem I bezogenen Bewegungsgesetze auch für jedes sich zu I in gleichförmiger Bewegung befindende Inertialsystem I’. An die Stelle von Newtons absolutem Raum als Bezugssystem für träge Massen tritt also das (nach Galilei benannte) Relativitätsprinzip
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher