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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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nicht warum. Das ist sozusagen etwas, was nicht so wirklich Sinn macht. Das glaube ich auch, ist das Problem der meisten Leute, die schreiben. Dass sie glauben, sie müssten Sinn machen.
Der Sinnherstellung findet beim Zuschauer statt?
BE: Es muss in der Sache selber liegen. Der Zuschauer hat beim Schreiben erst einmal keinen Platz. Das ist wie die Alleinbesteigung eines Berges. Du hast keine Crew, also keine Leute, die mit dir gehen, keine Sherpas. So eine Alleinbesteigung ist sicherlich vergleichbar mit dem, was man als Autor macht.
Aber du magst das auch, dieses Alleinsein.
BE: Ja, ich mag das auch. Das ist nicht etwas, was mich auszeichnet, allein sein zu wollen. Es ist ab und zu gut, dass einem keiner dreinredet. Was am Alleinbergsteigen auch so faszinierend ist, ist dass dir keiner dreinredet. Es gibt ja keinen Leiter der Expedition. Du packst dir deinen Rucksack und gehst da hoch.
Du bist deine eigene Autorität.
BE: Du bist deine eigene Autorität sowohl im Erfolg als auch im Misserfolg.
Das ist natürlich auch das Grauenhafte.
BE: Naja, das Grauenhafte ist eher, wenn man sich vorstellt, wie weit man gehen muss. Und dass man die Kräfte eventuell nicht hat. Und dass ein Schlechtwettermoment oder ein Zufall, wahrscheinlich das Normale passiert, dass dir plötzlich nichts mehr einfällt.
Der Abgrund …
BE: Nein, gar nicht so. Die Idee, die da lauert, ist, dass du plötzlich da sitzt und dir nichts mehr einfällt. Oder – etwas, wofür ich ja Gott sei Dank meine Methoden habe, das zu vermeiden – dass du eine Art Writer’s Block hast. Dass du plötzlich überhaupt nicht mehr weiterweißt.
Ich habe ja immer das Gefühl, die größere Gefahr ist, in die falsche Richtung zu gehen — die falschen Entscheidungen zu treffen.
BE: Ja, aber das weiß man ja nicht. Ob man die richtigen oder falschen Entscheidungen trifft, während man schreibt.
Das ist ja das Grauenhafte!
BE: Ja, das ist grauenhaft. Aber man weiß ja auch bei der Besteigung eines Berges nicht, ob du den richtigen Weg gehst.
Was machst du da mit deinen Zweifeln?
BE: Zweifel? Ehrmmm … ich denke mir einfach, der Drang ist, einfach weiter nach oben zu steigen. Also, du fragst dich jetzt nicht: Bin ich richtig, bin ich falsch? Sondern du steigst einfach. Jeden Tag. Weiter. Im Zweifelsfall kannst du als Autor ja – es ist ja nicht so lebensgefährlich wie das Bergsteigen – die Seiten, die du geschrieben hast, wieder wegschmeißen. Das ist ja noch relativ zivilisiert.
Warum bist du damals sofort auf diese Nachrichtengeschichte von der Selbstbefreiung Natascha Kampuschs angesprungen? Das war ja noch bevor das Ganze zu so einem Medienhype wurde.
BE: Das weiß man nicht. Das ist jetzt so eine Journalistenfrage. Das kann man jetzt analysieren, aber das ist nicht wirklich entschlüsselbar. Es gibt Dinge, die springen dich an, und andere, die lassen dich kalt. Sonst gäbe es ja auch nicht verschiedene Filme, die gemacht werden, mit großer Passion und großem Engagement, und wenn man sie sieht, versteht man nicht: Wieso hat sich denn jetzt dafür irgendjemand interessiert? Man weiß es nicht genau. Aber ich denke mal, es hat ’ne Faszination, sich vorzustellen, dass jemand mit zehn Jahren gekidnappt wird und im Alter von achtzehneinhalb Jahren sich selbst befreien kann. Und dass in dieser sehr sehr wichtigen Zeit, in der ein Mädchen ja auch zur Frau wird, auch bei einem Jungen wäre es jetzt nicht viel anders – mit zehn bist du halt ein Kind und mit 18 bist du ein junger Mann oder eine junge Frau. Dass diese ganze Entwicklung mehr oder minder in einem Keller stattgefunden hat, das hat ja fast einen mythischen Aspekt. Man ist geneigt, davon Abstand zu nehmen, einfach nur zu sagen: Das ist ein Kriminalfall. Sondern dieser Fall steht für was. Du sagst ja auch »Pygmalion« oder »Narcissus und Echo«. Das ist jetzt nicht nur eine Geschichte,
     
    Zum Zeitpunkt seines Tods hatte Bernd etwa ein Drittel des Drehbuchs geschrieben. Es war wahnsinnig und es war großartig. Bernd schrieb österreichischen Dialekt. Die Geschichte gehörte für ihn nach Österreich, genau wie »Der dritte Mann« für ihn nach Wien gehörte. Während Natascha Kampuschs Gefangenschaft, so war aus unseren Unterhaltungen am Wolfgangsee deutlich geworden, war das Häusliche das Schlachtfeld, auf dem sich sowohl das Drama zwischen Täter und Opfer sowie zwischen dem Täter und seiner Mutter abspielte. Das Diktat der Ordentlichkeit und Sauberkeit wurde zum Mittel der
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