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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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dieses Gerede und dieses Taktieren und Lügen. Ich hatte das Gefühl, als würden wir in Morast waten. Es war schrecklich. Bernd ging nie aufs Klo.
  Bernd traf sie dann bald, die Kindliche Kaiserin, die die Leute so zum Bibbern und aufgeregten Plappern brachte. Während dieses Treffens stellte NK fest, dass sie wollte, dass Bernd die Interviews zur Filmrecherche mit ihr führte. Oje.
  Bernd begann seine Interviews. Nach dem ersten Interview kam Bernd total fertig mit den Nerven ins Hotel Imperial zurück und trank erst mal mehrere Wodka Martini an der Bar. Überhaupt ist sein Wodkakonsum seit er an diesem Projekt arbeitet extrem gestiegen.
  Das Problem mit den Interviews war, dass NK eigentlich nicht wirklich was erzählen wollte. Wahrscheinlich weil es schmerzhaft für sie war und es ja auch schrecklich sein muss, all diese furchtbaren Erlebnisse noch einmal neu zu beschwören. Aber sie betonte doch immer wieder, dass sie den Film machen wollte. Schon beim zweiten Gespräch erklärte sie Bernd, dass sie NICHT alles erzählen werde. Bernd regte sich auf. Besonders als sie sagte, in den »Sissi«-Filmen sei ja auch fast alles ausgedacht. Was dachte sie? Dass Bernd einen »Sissi«-Film machen will? Ich war bei diesem Gespräch nicht dabei, aber es muss sehr unangenehm gewesen sein. Bernd kam sich veralbert vor, entwickelte extreme Aggressionen, weil er das Gefühl hatte, dass NK ihn in die Rolle des Peinigers drängte. Ich habe mich ständig gefragt, warum das Ganze. Warum müssen wir dieses schreckliche Verbrechen, dieses unfassliche Trauma in unser Leben lassen?
  Nach zwei Treffen mit NK beschloss Bernd, sich diesem Stress nicht weiter auszusetzen. Er hatte mittlerweile auch die Fahnen zu NKs Buch gelesen und fand das Buch gar nicht so schlecht. Zwar fehlte viel, aber es war immerhin ein Anfang. Die Medienberater schlugen nun vor, dass sie anhand des Buches die Lücken in der Geschichte auffüllen würden.
  Nun geschah erst einmal gar nichts. Ständig wurde Bernd vertröstet. In drei Monaten erhielt er ganze sechs Seiten Informationen. Gleichzeitig ging der Natascha-Kampusch-Medienzirkus weiter. Der Leiter der Polizeilichen Untersuchung ihres Falls brachte sich aufgrund von persönlichen Problemen um, und gleich wurde wieder die Theorie des Porno-Rings aufgewärmt. Ihr Buch stürmte die Bestsellerlisten.
  Aber die Zeit tickte, und Bernd saß noch immer auf dem Trockenen. Schließlich war ja der Plan, den Film 2011 zu drehen. Dazu musste er das Drehbuch im Winter schreiben. Und er hatte immer noch nicht genügend Informationen!
  Schließlich beschlossen wir, NK und Herrn S. an den Wolfgangsee einzuladen. Dieses Treffen kam zustande, nachdem Bernd eine knallharte E-Mail an die Medienberater geschickt hatte, dass er so nicht weiter mit sich umspringen lasse. Diese E-Mail hatte dann ihre erwünschte Wirkung. Fernab von dem Wiener Sumpf und dennoch in Österreich und im Beisein von Herrn S. (sehr wichtig) setzte Bernd sich noch einmal mit NK zusammen. Und endlich kam es zu dem Gespräch, was er schon lange mit ihr hatte führen wollen.
  Es war ja nun das erste Mal, dass ich NK kennenlernte und ich fand sie viel sympathischer, als ich nach all den Erzählungen erwartet hatte. Schräger Humor, schräge Ideen, schräge Assoziationen, sehr witzig. Nur eben wahnsinnig anstrengend. Als die beiden abfuhren, bin ich völlig fertig zusammengeklappt. Also buchstäblich mit den Knien auf den Boden gesunken. Danach habe ich mich betrunken. Das Anstrengende war sicherlich der ständige Stimmungswechsel, den man andauernd ausgleichen muss. Und die Gegenwart eines wirklich harten Schicksals, von dem man sich gar keine Vorstellung macht. Dieses Verbrechen, das sie überlebt hat, ist so grauenhaft und so permanent präsent, allein wenn ich an diese Hölle denke, wird mir ganz klamm. Natürlich steigt dadurch meine Achtung vor NK.
     
    Nach langem Überlegen entschloss Bernd sich, selbst Regie bei diesem Projekt zu führen. Er wollte es noch einmal wagen. Weil er auch nicht wusste, wer es besser als er selbst machen würde. Niemand kannte die Geschichte so gut wie er. Er hatte Geheimnisse erfahren, die sonst nur weniger als ein halbes Dutzend Menschen kennen. Geheimnisse, die er auch nicht so einfach an einen Regisseur oder eine Regisseurin weiterreichen konnte. Er steckte tief in der Geschichte drin. Diesen Vorsprung musste erst einmal jemand in der kurzen Zeit aufholen. Außerdem hatte Bernd noch eine weitere
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