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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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»Zorn« die direkte Weiterführung von »Der Baader Meinhof Komplex«. Es ist nämlich so, dass sich Bernds Verhältnis zu Gewalt durch »Der Baader Meinhof Komplex« sehr verändert hatte. Früher waren Alexander der Große und Napoleon seine Helden gewesen. Nach »Baader Meinhof« las er wieder ein Napoleon-Buch, legte es aber nach einer Geschichte über eine Flussüberquerung der Armee, wo im Vorbeigehen wieder einmal mehr als 1000 Soldaten ihr Leben hatten lassen müssen, etwas betrübt zur Seite. Worin lag hier das Heldentum?
    Auch in seiner Beschreibung von Siegfried schwingt eine Spur von Selbstkritik in Bernds »Zorn«-Drehbuch. Siegfried ist bei Bernd kein Held, sondern ein Abenteurer. Er wird von Brunhild eingeführt als:
     
    … Ein junger Krieger wollte sich ein Schwert schmieden … Es sollte ihm helfen, die Welt seinem Willen zu unterwerfen … der Name des Kriegers war SIEGFRIED …
     
    Siegfrieds Wille hat kein Ziel. Die Verwirklichung des Willens allein des Willens wegen kritisiert Bernd in »Zorn«. Man versteht, warum Hagen zur Wahrung der Staatsräson Siegfried umbringt. Das Kollektiv – also die Burgunden – ist aus Bernds Sicht wichtiger als das Ego des Einzelnen. Doch Krimhilds Racheschwur lässt Hagen keine Chance. Er überquert den Rhein und beschließt damit sein Schicksal: Durch den Untergang des Kollektivs wird er gezwungen, als Individuum hervorzutreten. Nur so kann das Kollektiv – die burgundischen Ritter – unsterblich gemacht werden. Der radikale Akt, Krimhilds Sohn Ortlieb zu erschlagen, macht ihn zum Monster, doch er weiß, es ist der einzige Weg, um zu gewährleisten, dass man auch nach dem sicheren Tod der Burgunden noch über sie reden wird. Der finale Konflikt zwischen Hagen und Krimhild ist bei Bernd ein verzweifelter Totentanz: zwischen Hagen, dem es um das Geschichtenerzählen geht, und Krimhild, die die Heldengeschichten der Burgunden ein für alle Mal unterbinden will. In Hinblick auf Bernd, für den Geschichtenerzählen Leben oder besser gesagt Eros war, ist es ein Kampf zwischen Eros und Thanatos. Am Ende steht zwar für beide, sowohl für Hagen als auch für Krimhild der Tod, aber die Geschichte überlebt. Die erzählte Geschichte ist immer größer als ihre Protagonisten. Es ist die Geschichte, die weiterlebt, nicht ihre Figuren. Und so beantwortete Bernd auch in »Zorn« die Frage »To be or not to be« ganz klar und unmissverständlich mit: BE.

Des Wahnsinns fette Beutep
    DA s nun folgende Kapitel ist schwierig für mich, denn es geht darin um das Projekt, bei dem Bernd starb. Es geht um die Verfilmung des Entführungsfalls der Natascha Kampusch. Zu meiner Erleichterung fand einer meiner wenigen Versuche, Tagebuch zu führen, während Bernds Arbeit an diesem Projekt statt. Hier also meine Eintragungen:
     
    Heute ist der 23. November 2010. Bernd liegt mit Asthma im Bett und liest Keith Richards Autobiographie. Vielleicht ist er doch nicht so erleichtert, dass das Wochenende mit Natascha Kampusch vorbei ist. Er weiß ja, dass jetzt die eigentliche Aufgabe auf ihn wartet, nämlich das Drehbuch zu schreiben. Aber ich fühle mich so frei bzw. befreit, dass unser Leben jetzt endlich wieder uns gehört. Nun hat Bernd erst einmal alle Informationen, die er für das Drehbuch braucht. Das war ja ständig das Damoklesschwert, das über ihm und damit auch mir hing: dass er das Drehbuch gar nicht schreiben konnte, weil NK weiterhin bei ihrer Haltung bleiben würde, nicht alles zu erzählen, was während ihrer Gefangenschaft stattgefunden hatte. Sie hatte ja immer nur einen Teil erzählt, nämlich den Teil ihrer Opfergeschichte. Dass es da noch einen anderen Teil gab, nämlich die Geschichte, wie sie stärker wurde als P. und wie sie sich genommen hat, was sie zum Überleben brauchte (einschließlich Sex), darüber hatte sie ja immer geschwiegen. Aber das ist jetzt alles herausgekommen während dieser zwei Wochenenden am Wolfgangsee. Und ich bin so so froh, dass wir da jetzt erst einmal nicht mehr hinmüssen und keine weitere Zeit mit ihr und ihrem Betreuer Herrn S. verbringen müssen. Das Bewusstsein, dass ein einziges Wochenende nicht reichen würde und wir da wieder hinfahren mussten, hatte wie eine Eisenklammer um meinen Kopf gelegen. So sehr, dass ich sogar eine Neuralgie im Hals entwickelt und furchtbare Ohrenschmerzen hatte. NK ist kein unangenehmer oder unfreundlicher Mensch. Natürlich ist das alles extrem schwierig für sie, und natürlich tut sie mir leid.
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