Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
Regenfront
brach über sie herein. Im Präsidium wurden die abschließenden Berichte
verfasst, die Akten wurden geschlossen und der Staatsanwaltschaft übergeben.
Nach der Arbeit fuhr Hambrock jeden Tag nach Erlenbrook-Kapelle, um mit Tante
Ada zu sprechen. Er hatte Tante Sophia einen Anwalt besorgt, den besten
Strafverteidiger von Münster. Zwei Morde, ein versuchter Mord und unterlassene
Hilfeleistung. Sophia würde sehr alt geworden sein, wenn ihre Haftstrafe vorüber
war. Falls sie nicht zuvor im Gefängnis starb. Aber diese Befürchtung erwähnte
er gegenüber Tante Ada nicht.
    In dieser Woche bekam Erlend ihn wieder einmal kaum zu Gesicht. Doch
sie sagte nichts. Er hinterließ ihr Zettelchen, wenn er morgens aus dem Haus
ging, und spät in der Nacht, wenn er heimkehrte, fand er jedes Mal ein Abendessen
im Ofen vor. Meistens hatte er dann schon bei Tante Ada gegessen, trotzdem
machte er sich das Essen warm und stopfte so viel davon in sich hinein, wie er
schaffte.
    Das Wetter wurde immer ungemütlicher, und er war froh, als endlich
Freitag war und er ins Wochenende gehen konnte. Vom Präsidium aus fuhr er zur
Universität. Dort stellte er sich ins absolute Halteverbot und wartete. Zum
Glück dauerte es nicht lange, bis Erlend in der Eingangstür erschien. Sie
zögerte und blickte missmutig in den Regen. Als sie ihren Mantelkragen
hochschlug und gerade loslaufen wollte, drückte Hambrock auf die Hupe. Erst da
wurde sie auf ihn aufmerksam. Ihr Gesicht hellte sich auf, sie rannte über die
Straße und riss die Beifahrertür auf.
    »Bernhard, du bist ein Schatz, dass du mich abholst. Ich habe meinen
Schirm zu Hause vergessen. Dieses Scheißwetter.«
    Sie ließ sich schwer auf den Sitz fallen. Er lächelte. Sie wollte
bereits weiterreden, da bemerkte sie, dass etwas nicht stimmte.
    »Was ist denn los mit dir?« Ihre Stimme wurde misstrauisch. »Das hat
doch sicher einen Grund, dass du mich abholst, oder? Gib es zu.«
    »Ja, du hast recht, es hat einen Grund.« Er zog zwei Flugtickets aus
der Innentasche seines Jacketts. »Und zwar diesen hier.«
    Sie nahm die Tickets entgegen und betrachtete sie ungläubig.
»Venedig?«
    »Ganz genau. Vier Tage Venedig. Das heißt, wenn du damit
einverstanden bist, am Montag und Dienstag spontan Urlaub zu nehmen.«
    Es dauerte, bis sie ihre Sprache wiederfand.
    »Aber was ist mit dir? Du musst doch zur Arbeit, so viel, wie bei
euch los ist. Da kannst du doch nicht einfach freimachen.«
    Er hob betont gleichmütig die Schultern. »Ich muss dringend ein paar
Überstunden loswerden. Heike wird schon alleine klarkommen. Am Mittwochmorgen
bin ich ja wieder da.«
    Sie strich zärtlich über die Tickets. »Venedig«, seufzte sie. Doch
dann blickte sie ihn kühl an. »Wenn du glaubst, dass damit alles wieder in
Ordnung ist, dann kann ich dir nur sagen: So einfach bin ich nicht zu haben.«
    »Es ist nur ein Anfang. Es tut mir leid, dass in letzter Zeit so
vieles schiefgelaufen ist. Ich will damit nur zeigen, dass ich …«
    »Achtzehn Uhr dreißig«, schrie sie entsetzt. »Unser Flug geht um
achtzehn Uhr dreißig von Düsseldorf.«
    »Deswegen habe ich dich von der Arbeit abgeholt.«
    »Aber wir haben nur noch gut zwei Stunden. Wie sollen wir das
schaffen?«
    »Wir fahren halt sofort los.« Er startete den Wagen. »Ich hab dir
ein paar Sachen eingepackt.« Er deutete auf die Rückbank, auf der zwei
Reisetaschen standen.
    »Du hast … was ?« Sie blickte verzweifelt
auf das Gepäck. »Aber du weißt doch gar nicht, was ich anziehen will. Was hast
du denn eingepackt? Schlabberjeans und Rollkragenpulli?« Sie raufte sich die
Haare. »Oh, mein Gott, ist meine Tasche etwa die kleinere von den beiden?«
    Hambrock, der vor einer roten Ampel halten musste, zog ein weiteres
Papier aus seiner Innentasche. Es war ein Gutschein.
    »Ein Einkaufsgutschein?«, fragte Erlend, und dann mit einem Lachen:
»Hast du den etwa selbst gemalt?«
    Tatsächlich hatte er ihn heimlich im Büro angefertigt. Zugegeben, in
künstlerischer Hinsicht war der Gutschein eher bemitleidenswert. Aber die Geste
zählte.
    »Ich dachte mir, du brauchst dringend ein paar neue Outfits, oder?
In Venedig gibt es bestimmt eine Menge hübscher Läden. Wozu also viel Gepäck
mitnehmen? Das Einzige, was du brauchst, ist ein großer Koffer für den
Rückflug. Und der liegt bereits im Kofferraum.«
    Sein Plan war aufgegangen, das erkannte er sofort. Auch wenn sie
noch bemüht war, ihm das nicht zu zeigen.
    »Du fährst wirklich schwere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher