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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben
Autoren: Hans Fallada
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Justizrat Streiter mit Stuff heim in das Hotel Cap Arcona. Hinter den beiden marschiert Henning, auf Tod und Leben flirtend mit der Sekretärin seines Verteidigers.
    Der große Berliner Rechtsanwalt ist noch durchglüht vom Feuer, von der Erregung seiner Rede. »Und Sie fanden mein Plädoyer wirklich gut, Herr Stuff? War es wirklich sehr gut?«
    »Unübertrefflich, Herr Justizrat! Einfach glänzend! Wie Sie nachgewiesen haben, daß die Polizei selbst dann, wenn das Publikum an der Fahne Anstoß nahm, nicht die Fahne beschlagnahmen durfte, sondern den Fahnenträger schützen mußte, nein, ich muß schon sagen …«
    »Ja«, sagt der Justizrat zufrieden, »der arme Oberstaatsanwalt. Wenn er mir mit Reichsgerichtsentscheidungen kommen will oder mit Urteilen des Oberverwaltungsgerichtes, da |632| muß er früher aufstehen. Da gibt es nicht viel Leute in Deutschland, die so beschlagen sind wie ich.«
    »Da gehört doch ein enormes Gedächtnis dazu«, sagt Stuff bewundernd.
    »Gott ja. Natürlich. Fleiß, vor allem Fleiß. – Und wie ich es ihnen gegeben habe, mit der nicht umwickelten Sense? Da hat natürlich keiner daran gedacht, daß der Henning mit einer Blechschere die Schneide abgeschnitten hatte. Es war also gar keine Sense mehr!«
    »Nein, Herr Justizrat, Sie haben das ja nicht so gesehen wie ich, aber das Gesicht vom Oberstaatsanwalt …«
    »Armer Kerl! Na ja, sonst hat er hier seine Provinzanwälte, da braucht er sich nicht viel Mühe zu geben …«
    »Nur eins ist Mist, Herr Justizrat, wenn heute abend noch das Urteil gesprochen wird, ist Ihr ganzes schönes Plädoyer für die Katz.«
    »Wieso? Warum meinen Sie das, Herr Stuff?«
    »Weil dann die Zeitungen nur das Urteil bringen und nicht Ihr Plädoyer!«
    »Da haben Sie recht. Da müßte man was machen, daß das Urteil heute nicht mehr kommt.«
    »Wenn Sie krank würden?«
    »Nee, sieht schlecht aus. Henning, mein Junge, hör mal …«
    Aber er muß zweimal rufen, ehe sich Henning von seiner Dame losreißt.
    Stuff fragt: »Wie ist das, Henning, können Sie heute abend nicht einen Nervenzusammenbruch bekommen? So einen richtigen, den ein Arzt bescheinigt und den ich in die Zeitung bringen kann?«
    »Heute abend noch?
Vor
dem Urteil? Nee, danke. Außerdem wollen wir uns heute abend noch einmal gründlich die Nase begießen. Wer weiß, was morgen ist.«
    »Du kannst ja auf deinem Zimmer saufen.«
    »Ausgeschlossen! Ich sage euch: ausgeschlossen! Heute zeige ich mich noch dem Volk, daß die nicht denken, ich habe Angst.«
    |633| Ein dunkler Schatten ist neben ihnen aufgetaucht und bleibt stehen. »Entschuldigen die Herren, mein Name ist Manzow, demokratischer Stadtverordneter. Stadtverordnetenvorsteher. Herr Stuff kennt mich.«
    »Tu ich! Kenne Sie. Jawohl.«
    »Meine Herren, ich überfalle Sie hier auf der Straße. – Aber ich möchte noch vor dem Urteil … Die Sache ist die: Schon einmal habe ich versucht, wegen des Boykotts mit der Bauernschaft Verhandlungen anzuknüpfen. Damals wollten die Herren nicht, haben uns böse durch den Koks geholt.
    Nun komme ich noch mal. Vor dem Urteil, damit Sie sehen, unser Versöhnungswille ist ehrlich. Können wir uns heute nicht irgendwo zusammensetzen und die Geschichte aus der Welt schaffen?«
    »Jawohl«, knurrt Henning. »Ihr Versöhnungswille ist Angst, daß wir nach der glänzenden Rede von Herrn Justizrat freigesprochen werden. Dann muß die Stadt blechen, blechen, blechen!«
    »Entschuldigen Sie, Herr Justizrat, daß ich Sie noch nicht beglückwünscht habe. Noch nie habe ich so etwas gehört wie Ihre Rede. Ich rede auch, ich muß sogar viel reden, ich bin hier so etwas wie ein Führer …« Verlegen grunzend: »Unter Blinden ist der Einäugige König. Aber so etwas wie Ihr Plädoyer, nein, Herr Justizrat …«
    Manzow wird vor Begeisterung immer fassungsloser.
    »Sagen Sie mal, meine Herren«, meint der Justizrat, »warum wollen wir uns eigentlich die Vorschläge von Herrn Manzow nicht mal anhören? Das kann doch nichts schaden.«
    »Nein. Nein. Auf keinen Fall«, sagt Henning.
    »Also, Herr Manzow«, erklärt der Justizrat ungerührt, »wir erwarten Sie in etwa einer Stunde im Arcona. Wir werden wohl im Hinterzimmer sitzen. Ob freilich etwas Greifbares dabei herausschaut …«
    Manzow bedankt sich überströmend und verschwindet.
    »Ob das richtig war?« zweifelt Stuff. »Sobald der Entgegenkommen sieht, wird er frech.«
    |634| »Ich setz mich mit dem Bruder nie an einen Tisch«, erklärt Henning trotzig.
    »Dann
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