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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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sollten, und winkte uns dann in ein Nebengelass. Von den Strapazen der vergangenen Wochen war sein graues Haar weiß geworden, die Hakennase ragte ihm spitz aus dem Gesicht und seine Augen waren so rot wie die eines Kobolds. 8
(Herren vergleichen ist ähnlich wie Pickel vergleichen: Es gibt üble und nicht ganz so üble, aber auch auf Letztere könnte man gut und gern verzichten. Der hier war schon der zwölfte tschechische Zauberer, dem ich diente. Er war nicht übermäßig grausam, aber ein bisschen sauertöpfisch, als hätte er Zitronensaft in den Adern. Außerdem war er verbiestert und pedantisch, geradezu besessen von seinen Pflichten gegenüber Reich und Kaiser. )
Er kratzte sich den Hinterkopf. »Ihr braucht mir nichts zu erzählen«, sagte er, »ich weiß Bescheid. Wie lange haben wir noch?«
    Der Panter zuckte mit dem Schwanz. »Ich schätze mal, eine Stunde. Höchstens.«
    Queezle wandte sich nach dem Hauptraum um, in dem sich die Zauberer stumm und verbissen abmühten. »Wie ich sehe, holt Ihr die Golems raus«, sagte sie.
    Der Zauberer nickte knapp. »Die werden dem Feind schwere Verluste beibringen.«
    »Das dürfte nicht genügen«, wandte ich ein. »Nicht mal, wenn Ihr zehn auf einmal losschickt. Habt Ihr nicht gesehen, was das da draußen für ein riesiges Heer ist?«
    »Wie immer urteilst du vorschnell und ungefragt, Bartimäus. Es handelt sich lediglich um ein Ablenkungsmanöver. Wir versuchen, Seine Majestät die Osttreppe hinunterzuschaffen. Unten am Fluss wartet ein Boot. Die Golems sollen die Burg abriegeln und unseren Rückzug decken.«
    Queezle linste immer noch zu den Zauberern hinüber. Die beugten sich tief über ihre Kugeln, bewegten tonlos die Lippen und befehligten ihre Geschöpfe. Trübe, zuckende Bilder in den Kugeln zeigten ihnen an, was der betreffende Golem sah. »Die Engländer werden sich nicht lange mit den Ungeheuern aufhalten«, sagte Queezle. »Sie werden ihre Meister aufspüren und kurzen Prozess mit ihnen machen.«
    Mein Herr bleckte die Zähne. »Bis dahin ist der Kaiser über alle Berge. Und das ist übrigens auch mein nächster Auftrag für euch beide. Ihr sollt Seine Majestät unterwegs beschützen. Verstanden?«
    Ich hob die Pfote. Der Zauberer seufzte abgrundtief. »Ja bitte, Bartimäus?«
    »Nun, Sir, dürfte ich wohl einen Vorschlag machen? Prag ist eingekesselt. Wenn wir versuchen, mit dem Kaiser aus der Stadt zu fliehen, sterben wir allesamt eines qualvollen Todes. Warum überlassen wir den alten Zausel nicht einfach seinem Schicksal und machen uns ohne ihn aus dem Staub? Ich wüsste da auf der Karlstraße einen kleinen Bierkeller mit einem ausgetrockneten, nicht besonders tiefen Brunnen. Die Öffnung ist zwar ein bisschen klein, aber…«
    Er zog die Stirn kraus. »Erwartest du etwa, dass ich mich da drin verstecke?«
    »Na ja, etwas eng wäre es schon, aber ich glaube, wir könnten Euch reinquetschen. Euer Schmerbauch wäre wohl etwas hinderlich, aber wenn wir tüchtig schieben… Aua!« Mein Fell knisterte und ich verstummte abrupt. Wie immer brachte mich der Glühheiße Stichel völlig aus dem Konzept.
    »Im Gegensatz zu dir halte ich etwas von Treue!«, knurrte der Zauberer. »Was mich betrifft, muss man nicht erst Gewalt anwenden, damit ich gegenüber meinem Herrn redlich handle. Ich wiederhole: Ihr beide habt euer Leben einzusetzen, um den Kaiser zu retten. Ist das klar?«
    Wir nickten widerstrebend und im selben Augenblick wankte der Fußboden unter einer nahen Explosion.
    »Dann kommt«, sagte er. »Wir müssen uns beeilen.«
    Es ging die Treppe wieder hinauf und durch die leeren Flure der Burg. Grelle Blitze erhellten die Fensterhöhlen, von überall her tönten ängstliche Rufe. Mein Herr schritt eilig aus, sein Atem pfiff bei jedem Schritt, Queezle und ich trabten nebenher.
    Schließlich traten wir auf die Terrasse hinaus, auf der Kaiser Rudolf vor Jahren seine Vogelvoliere errichtet hatte. Es war eine geräumige, kunstvoll aus Bronze geschmiedete Konstruktion mit zierlichen Kuppeln, Minaretten und Futterplätzen sowie großen Türen, damit der Kaiser hineingehen und darin lustwandeln konnte. Überall standen Bäume und Kübelpflanzen, und in den Zweigen tummelte sich eine bemerkenswerte Vielfalt von Papageien, deren Vorfahren man aus fernen Landen nach Prag geholt hatte. Der Kaiser war ganz vernarrt in seine Vögel. In letzter Zeit, als London immer mächtiger wurde und ihm sein eigenes Reich allmählich entglitt, war er dazu übergegangen, viele
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