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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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Stunden im Vogelhaus zu verbringen und sich dort mit seinen Vertrauten zu beraten. Jetzt, da magische Schlachten am Nachthimmel tobten, waren die Vögel in heller Aufregung, flatterten mit gesträubtem Gefieder durch den Käfig und kreischten sich die Seele aus dem Leib. Der Kaiser, ein kleiner, untersetzter Herr in seidenen Kniehosen und zerknittertem weißem Hemd, war in kaum besserer Verfassung, schimpfte mit den Vogelwärtern und kümmerte sich nicht um seine Berater, die aufgeregt um ihn herumscharwenzelten.
    Der Kanzler Meyrink zupfte ihn mit blassem, kummervollem Gesicht am Ärmel. »Bitte, Majestät! Die Engländer erstürmen bereits den Burgberg. Wir müssen Euch in Sicherheit bringen…«
    »Ich kann mein Vogelhaus auf keinen Fall im Stich lassen! Wo sind meine Zauberer? Sie sollen sofort herkommen!«
    »Sie sind mit der Schlacht zu beschäftigt, Majestät…«
    »Dann eben meine Afriten! Mein getreuer Phöbus…«
    »Wie ich Euch bereits mehrfach erklärt habe, Majestät…«
    Mein Herr drängelte sich rücksichtslos durch. »Hier bringe ich Euch Queezle und Bartimäus, Majestät, damit sie uns bei der Abreise zur Seite stehen und anschließend Eure kostbaren Vögel retten.«
    »Katzen, guter Mann? Katzen?« Der Kaiser zog ein verkniffenes Schnütchen. 9
(Und sah auf die Art selbst wie eine Katze aus.)
    Queezle und ich verdrehten bloß die Augen. Sie verwandelte sich in ein Mädchen von erlesener Schönheit, ich nahm Ptolemäus’ Gestalt an. »Nun aber, Majestät«, sagte mein Herr, »zur Osttreppe…«
    Heftige Erschütterungen in der Stadt. Inzwischen standen die Außenbezirke zur Hälfte in Flammen. Ein kleiner Kobold kugelte mit brennendem Schwanz über die Brüstung am anderen Ende der Terrasse und kam schlitternd vor uns zum Stehen. »Bitte um Erlaubnis, Bericht erstatten zu dürfen, Majestät. Mehrere Afriten kämpfen sich zur Burg durch, der Angriff wird von Honorius und Patterknife, Gladstones persönlichen Dienern, befehligt. Die beiden sind entsetzlich, Sir. Sie haben unsere Truppen in die Flucht geschlagen.« Er hielt inne und beäugte seinen qualmenden Schwanz. »Bitte um Erlaubnis, mir Wasser suchen zu dürfen, Majestät.«
    »Und die Golems?«, wollte Meyrink wissen.
    Der Kobold erschauerte. »Sehr wohl, Herr. Die haben soeben in den Kampf eingegriffen. Ich hab mich natürlich schön abseits der Wolke gehalten, aber ich glaube, die britischen Afriten sind in Verwirrung geraten und haben sich ein Stück zurückgezogen. Wenn ich jetzt vielleicht ein klein bisschen Wasser…«
    Der Kaiser stieß einen schmetternden Jubelschrei aus. »Wunderbar! Der Sieg ist unser!«
    »Der Vorteil dürfte nicht von langer Dauer sein«, gab Meyrink zu bedenken. »Kommt, Majestät, wir müssen los.«
    Gegen seinen Protest wurde der Kaiser fortgeschleift und zu einer kleinen Pforte gebracht. Meyrink und mein Herr führten die Gruppe an, dann folgte der Kaiser, dank seiner gedrungenen Statur von den Höflingen überragt, Queezle und ich bildeten die Nachhut.
    Ein greller Blitz. Hinter uns setzten zwei schwarze Gestalten über die Brüstung. Zerfetzte Umhänge umwehten sie, gelbe Augen brannten unter den Kapuzen. Mit langen Sätzen fegten sie über die Terrasse, wobei sie kaum den Boden berührten. Die Vögel in der Voliere verstummten schlagartig.
    Ich sah Queezle an. »Soll ich oder willst du?«
    Das schöne Mädchen lächelte und entblößte die scharfen Zähne. »Ich.« Sie blieb ein Stück zurück und stellte sich den anrückenden Ghulen, während ich hinter dem kaiserlichen Gefolge herlief.
    Hinter der Pforte führte am Fuß der Burgmauer ein schmaler Weg den Burggraben entlang nach Norden. Unter uns brannte die Altstadt lichterloh. Ich sah britische Truppen durch die Straßen stampfen und die Bürger Prags vor ihnen fliehen oder aber sich ihnen entgegenstellen und fallen. Das Ganze schien unendlich weit entfernt, nur schwache Klagelaute drangen zu uns herauf. Ganze Schwärme von Kobolden schwirrten wie Vogelscharen hierhin und dorthin.
    Der Kaiser hörte endlich auf zu meckern. Wir eilten schweigend durch die Nacht. So weit, so gut. Jetzt hatten wir den Schwarzen Turm am oberen Ende der Osttreppe erreicht und somit freie Bahn.
    Mit leisem Flügelschlag landete Queezle neben mir. Ihr Gesicht war aschfahl und in ihrer Flanke klaffte eine tiefe Wunde. »Gab’s Ärger?«, fragte ich.
    »Nicht mit den Ghulen. Das da war ein Afrit. Aber dann kam ein Golem und hat ihn vernichtet. Geht schon wieder.«
    Weiter ging
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