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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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Geschenk?«
    »Ja, und ich kann es dir jetzt schon machen. Am Telefon. Du mußt nur zuhören. Du weißt dann schon, was es ist. Hörst du zu?«
    Mit fragend gerunzelter Stirn blickte sie zu Carlo auf. Der Sizilianer stand neben ihrem Bett und sah stumm auf sie herab.
    »Ja, ich höre.« Sie horchte. Und als das Geräusch aus dem Hörer an ihr Ohr drang, wußte sie, was für ein Geschenk Ernesto ihr machte.

18. Kapitel

    Irgendwann, viel später, stand Johanna vom Bett auf und ging hinaus in den Flur. Vor dem Fenster verblaßte das letzte Tageslicht. Graue Schatten flössen durch die dichten Vorhänge, und Johanna glaubte, die Kälte zu spüren, die gegen die Scheiben drängte. Sie fröstelte und sehnte sich nach Fabios Wärme. Noch stärker sehnte sie sich danach, diesen Ort zu verlassen, so schnell wie möglich. Sie ging den Flur entlang zur Balustrade, beugte sich über die Brüstung und blickte hinunter in die Halle, die unter dem glitzernden Licht des Kronleuchters wie ausgestorben dalag. Die Porträts der Gemäldegalerie schienen sie stumm zu verhöhnen, als sie unsicher die Treppe hinabstieg. Dann hörte sie den ersten Schrei. Es war eher ein fernes Seufzen, dünn und langgezogen, und im ersten Moment glaubte sie, daß es der Wind war, der über das Dach strich. Dann kam es wieder, deutlicher, wenn auch immer noch schwach hörbar, ein hohes, singendes Klagen, wie das einer verwünschten Seele, gefangen in einem unterirdischen Kerker. Johanna ging weiter die Treppe hinunter, die Hand am geschwungenen Lauf des schweren, geschnitzten Geländers. Vage ging ihr dabei durch den Kopf, daß das Geländer aus einer späteren Epoche stammen mußte als der Palazzo selbst. Die üppige Barockschnitzerei paßte nicht recht zu dem strengen, geometrischen Stil des Gebäudes.
    Eine Katze, sagte sie sich. Es war eine Katze, die irgendwo schrie. Dann hörte sie es wieder, und sofort darauf noch einmal, diesmal lauter, und sie glaubte nicht länger, daß es eine Katze war. Sie stieß blindlings die Türen auf, eine nach der anderen. Die Bibliothek mit deckenhohen Regalen voller Bücher. Danach ein Salon, gewaltig in seinen Ausmaßen, doppelt so groß wie ihr Wohnzimmer im Penthouse, verschwenderisch mit kostbaren Antiquitäten ausgestattet und mit einem Kamin, in dem man einen Ochsen hätte rösten können. Dann ein Küchentrakt. Johanna atmete keuchend, sie riß ungeschickt an dem nächsten Knauf, stieß unglücklich mit den Fingern dagegen und brach sich einen Nagel ab. Eine Toilette. Sie rannte weiter, öffnete Tür um Tür. Ein riesiger, düsterer Speisesaal. Ein kleinerer Salon. Das Spiegelkabinett, durch das sie ins Haus gekommen war. Und schließlich die Kellertreppe. Als sie diese letzte Tür öffnete, kam ihr ein Schrei entgegen. Unmenschlich schrill, zerrissen von unfaßbarer Agonie, bohrte er sich in ihre Ohren, in ihren Kopf, so schmerzhaft scharf, daß sie zurückprallte und die Tür zuwarf. Johanna wußte plötzlich, daß es Jorge war, der da so schrie. Sie öffnete die Tür erneut und stieg die kalte Steintreppe hinunter in das Kellergewölbe. Es war dunkel, nur vom Fuß der Treppe her drang mattes Licht nach oben. Eine flackernde Glühbirne hing von der Decke, dort, wo die Treppe endete und der schmale, in den Fels gehauene Gang anfing. Johannas Schritte klangen hohl auf den steinernen Platten, als sie weiterging, dem zuletzt verklungenen Schrei nach. Sie wußte, was dort vorn in irgendeinem der Kellerräume geschah. Teufel und Beelzebub, vereint in satanischem Reigen.
    Wahrscheinlich starb Jorge gerade jetzt, wenn er nicht schon tot war. Sie fügten ihn ihrer Sammlung hinzu. Einer von vielen. Eine neue Leiche im Keller. Johanna stieß einen gepreßten Laut aus, halb Schluchzen, halb hysterisches Wimmern, als sie sich des Doppelsinns ihres Gedankens bewußt wurde. Ihr Atem ging hastig und stoßweise. Vor einer Tür, hinter der sie Stimmen hörte, blieb sie stehen, die flache Hand gegen das rissige Holz gelegt. Sie lauschte ihrem eigenen Herzschlag, minutenlang, dann wich sie zurück. Er hatte es ihr verboten. Wenn sie die Tür öffnete und sah, was dahinter war, würden sie kommen und sie holen. Sie würde die nächste Leiche im Keller sein. Sie war kein Familienmitglied, und sie war keine Neapolitanerin. Sie war nicht aufgewachsen mit dem Gesetz des ehernen Schweigens. Omertà. Sie wußte, daß man es so nannte, und sie wußte, daß jeder starb, der sich nicht daran hielt.
    Die Tür ging auf. Sie schwang nach
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