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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe
Autoren: Massimo Carlotto
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man ihn allerdings nicht von hinten überrumpeln konnte.
    Unvermittelt stand Beniamino auf der Schwelle, mit gezückter 45er. »Kein guter Tag zum Sterben«, sagte er leise.
    Der Ex-Soldat wog blitzschnell sämtliche Möglichkeiten ab, als Gewinner aus dieser Situation hervorzugehen, erkannte aber rasch, dass es keinen Weg gab, der ihm eine oder mehrere Kugeln ersparen würde. Er breitete die Arme aus, um sich zu ergeben, doch Rossini hatte nicht vergessen, dass er ein Kampfmesser im Jackenärmel trug. »Zieh es mit zwei Fingern raus.«
    Überrascht blickte der Gorilla ihn fragend an.
    »Hat mir Bo ž idar verraten«, log Rossini gemeinerweise.
    Das würde Vladan seinem Kollegen nie verzeihen. Tatsächlich hatten wir das Messer bei jener Begegnung in der Konditorei in Vicenza gesehen. So etwas vergisst man nicht, auch nicht nach Jahren.
    Gehorsam zog der Serbe das schmale, kurze, aber tödliche Messer hervor. Er legte es auf einen Tisch. Unser Freund gebot ihm, sich umzudrehen und hinzuknien. Max und ich versorgten ihn wie seinen Genossen.
    »Kümmert euch um die Frau. Wir sehen uns in Pavles Zimmer.«
    Die Sekretärin, in ihr Telefonat vertieft, hatte noch nichts bemerkt. Sie sprach gut Italienisch, aber es gab keinen Zweifel, sie war Serbin. Sobald sie auflegte, betraten wir den Raum, die Hände in den Taschen.
    Die Reaktion der Frau beseitigte jeden Zweifel, ob sie Mitglied der Bande war: Weder schrie sie, noch gab es Anzeichen, dass sie ohnmächtig werden könnte.
    Eigentlich war sie hübsch, doch ihre Züge hatten etwas Hartes an sich, das von der Anspannung jetzt deutlich verstärkt wurde. »Wer seid ihr?«
    »Komm. Wir haben ein Wörtchen mit deinem Chef zu
reden.«
    Sie ließ es sich nicht zweimal sagen, sondern begleitete uns durch einen Flur, dann öffnete sie eine Tür. Das Büro war luxuriös eingerichtet. Der serbische Gangster saß hinter seinem Schreibtisch, die Hände fein säuberlich weit voneinander auf der Mahagoniplatte. Vor ihm saß Rossini, die Colts im Schoß. Er deutete auf ein Sofa.
    »Setz dich da hin«, sagte er zu der Frau.
    »Da seid ihr ja alle«, zischte Pavle verächtlich. »Kein bisschen Gehirn im Leib.«
    Beniamino bedachte ihn mit einem flammenden Blick. »Unser Freund hier fragte eben nach dem Grund dieses plötzlichen und nicht unbedingt höflichen Besuchs.«
    »Und, was hast du gesagt?«
    »Er täuscht sich, wenn er denkt, dass wir Idioten sind.«
    Jetzt war ich an der Reihe. »Willst du so weitermachen und sterben, oder willst du verhandeln?«
    »Ich denke, ich sterbe sowieso.«
    »Verdienen würdest du’s«, lachte der alte Schmuggler.
    Ich knöpfte mir den Mantel auf. Gern hätte ich auch die Latexhandschuhe ausgezogen, es war warm. »Ja, wir würden dich gern umbringen, aber wir haben eine Verabredung mit den Kosovaren, der Familie von Fatjion Bytyçi, und werden dich seinem Bruder Agim übergeben.«
    Die Frau fing an, sehr schnell mit einer dünnen, schrillen Stimme auf Serbisch zu reden, und ließ sich nur mit Beniaminos Pistolen zum Schweigen bringen. Ich hatte die Augen nicht von Pavle gelassen, um den Ausdruck reinen Entsetzens zu genießen, wenn ihm klar wurde, dass er bei den Mafiosi landen würde. Stattdessen schien mir, als sähe ich einen Funken Erleichterung in seinem Blick.
    Ich war verblüfft. Da war etwas, das ich nicht begriff.
    Ich nahm die Frau beim Arm und wandte mich an Max. »Komm, wir suchen was, wo wir sie einsperren können.«
    Wir fanden einen winzigen Verschlag ohne Fenster, in dem das Büromaterial aufbewahrt wurde. Wir drehten den Schlüssel im Schloss herum und klemmten einen Stuhl unter die Klinke.
    »Diese Leute müssen alles Mögliche erlebt haben, dass sie derart abgebrüht sind«, meinte Max.
    »Irgendwas stimmt hier nicht. Vielleicht sollten wir kurz nachdenken.«
    »Was meinst du?«
    »Warum erschrickt Pavle nicht bei der Vorstellung, den Kosovaren in die Hände zu geraten?«
    »Ich sag’s doch gerade: Die haben Eier in der Hose und Talent zum Märtyrertum.«
    »Wie haben sie Agim Bytyçi verraten, dass wir Fatjion kaltgemacht haben?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht hat es genügt, das Gerücht in Umlauf zu bringen.«
    Ich hätte gern geraucht, beherrschte mich aber: Der Knast ist voller Leute, die ihre DNS auf Zigarettenfiltern an unpassenden Orten zurückgelassen haben. »Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber ich habe den sicheren Eindruck, dass der Serbe vor Agim Bytyçi keine Angst hat.«
    »Das fällt mir schwer zu
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