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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe
Autoren: Massimo Carlotto
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Er hatte ja auch nicht ganz unrecht. Wie soll man weiterleben mit so einer Tragödie auf dem Buckel? Kurz dachte ich, ich hatte Glück, dass all das nicht mir passiert war.
    »Ach«, meinte ich laut. »Warum ist das nicht mir passiert?«
    »Warum sie es auf Beniamino abgesehen und nicht deine Virna entführt haben? Vielleicht, weil sie dich verlassen hat«, schlug Max vor.
    Rossini zog seinen Kamelhaarmantel aus. »Nein. Die wissen, dass ich der Einzige von uns bin, der tötet. Also musste ich als Erster bestraft werden.«
    »Das denke ich auch«, sagte ich. »Aber das heißt, dass jemand hier aus der Gegend Informationen gegeben hat. Ich denke, das war derselbe Bulle, der dem Typen meinen Namen genannt hat.«
    »Was für ein Bulle?«, fragte der Schmuggler. Ich erklärte ihm meine Theorie.
    »Na, dann müssen wir ihn finden«, sagte er.
    »Wir werden Bargeld brauchen«, bemerkte der Dicke.
    Beniamino deutete auf die Tasche, die er dabeihatte. »Ich habe das Sparschwein geschlachtet«, sagte er. »Wir können loslegen.«
    Wir setzten uns in seine französische Luxuslimousine, ein Modell, das seit ein paar Jahren nicht mehr gebaut wurde. Rossini behielt den Wagen, denn im Motorraum war eine Stelle, wo sich zwei Pistolen verstecken ließen. Als Souvenir von seiner Reise nach Ex-Jugoslawien hatte er zwei brandneue Eisen mitgebracht. Wenn die der Polizei in die Hände fallen sollten, hätten sie keine Geschichte zu erzählen.
    Wir machten eine Runde bei den Polizeiinformanten und erkauften uns Informationen über ihre Auftraggeber.
    »Unübliche Fragen sind das«, meinte Raschio, das »Reibeisen«, ein Ex-Heroin-User, der sich zum Koks bekehrt hatte, über die Plätze des Zentrums strich und sich unter die Menge der Spritz-Trinker mischte, weniger, um die Dealer zu erkennen und zu verraten als die User. Seine Spezialität bestand darin, die jungen Kerle ans Messer zu liefern, die schnieften, aber dann, um ihren guten Namen und ihren Job nicht zu gefährden, ihrerseits Spitzel wurden. So funktionierte der Kampf gegen den Rauschgifthandel.
    Sein Spitzname kam von seiner Stimme, die klang wie eine Feile, mit der Metall bearbeitet wird. »Vielleicht ist mein Führungsbulle ja interessiert«, meinte er schlau.
    »Wir suchen vor allem einen bestimmten, um ein Geschäft mit ihm zu machen«, erklärte ich zuvorkommend. »Wenn wir ihn finden und er erfährt, dass du dich nicht gut benommen hast, dann geht ihm der Arsch vielleicht auf Grundeis.«
    Raschio dachte drüber nach und beschloss, sich mit unserem Geld zu begnügen. Er kannte Rossinis Ruf, und obwohl er wie alle Spitzel kein großes Kirchenlicht war, begriff er doch, dass man ihn besser nicht wütend machte.
    »Leute, das ist ja ein Heer geworden mittlerweile«, meinte spätabends der Dicke genervt. »Und wir haben noch Glück, dass wir nur den Rauschgiftsektor bearbeiten …«
    »… und uns auf die Spitzel konzentrieren, die 2004 schon aktiv waren«, präzisierte ich.
    »Ich hab’s satt, die ganze Zeit mit diesen Arschlöchern umzugehen und ihnen mein Geld reinzuschieben.« Rossini war mies gelaunt. »Eine Pizza, dann ins Bett. Wir machen morgen weiter.«
    Ich hatte noch keinen Tropfen getrunken und freute mich schon auf den Dreifachen, den ich mir genehmigen würde, wenn ich auf dem Sofa vorm Kamin lag.
    ***
    Am nächsten Morgen tauchte Rossini kurz vor Mittag auf. »Kommt, wir trinken einen Aperitif mit den Spitzeln.«
    Von denen gab es viele, jeglichen Geschlechts und jeder Nationalität. Jeder hat eine eigene Geschichte auf dem Buckel, aber meistens werden sie gar nicht dazu gezwungen, ihre Nächsten zu verraten. Bei vielen ist es Schicksal. Wie zum Beispiel bei Morena Borromeo. Sie hatte es mit verschiedenen legalen Tätigkeiten versucht. Sie sah wirklich gut aus, verstand sich anzuziehen und hatte begonnen, die In-Lokale zu frequentieren. Nach einigen fehlgeschlagenen Verbindungen zu Söhnen vermögender Geschäftsleute hatte sie begonnen zu sniffen und diskret anschaffen zu gehen, selten, mit ausgewählten Kunden, die gut zahlten. Trotzdem war sie in Schwierigkeiten geraten, aber zu ihrem Glück hatte ein mitleidiger, anständiger Polizist ihr eine Alternative aufgezeigt und ihr erklärt, dass sie eine Menge Details über den Markt wusste, die klingende Münze wert waren.
    Und so war sie ein wahrer Profispitzel geworden. Sie wusste, wie man’s macht, und verstand sich hervorragend darauf, die Leute zum Reden zu bringen. Vor allem die Männer. Eine Geschichte,
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