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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe
Autoren: Massimo Carlotto
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den Schultern. »Was heutzutage alles rumläuft. Die Profis werden immer seltener. Aber egal, das finden wir bald heraus. Wenn er hinkommt, und dann noch allein, dann ist er wirklich ein Dummkopf.«
    »Seine Chefs sind vielleicht keine.«
    »Dann begreifen sie jetzt, dass sie uns besser nicht weiter nerven.«
    Aber der Typ mit dem Ring war wirklich unbedacht. Pünktlich und ohne Begleitung kreuzte er an einem absolut menschenverlassenen Ort auf, wo die Bulldozer jüngst die Landschaft in eine staubige Wüste verwandelt hatten. Eine Autobahn samt dazugehörigen Brücken sollte hier gebaut werden, Teilstücke des Monuments, mit dem der Gouverneur der Region dafür sorgen wollte, dass die Nachfahren ihn als glänzenden Verwalter in Erinnerung behielten.
    Kaum war er aus seinem Wagen, da hielt Rossini ihm schon die Pistole an den Kopf und führte ihn an den Rand eines tiefen Grabens. In dem hätten noch zwei Körper mehr Platz gehabt, wenn er denn in Begleitung gewesen wäre. Natürlich eine Idee des vorausschauenden Beniamino. Weder Max noch ich hätten Spitzhacke und Schaufel geschwungen, ohne zu wissen, für wie viele Gäste wir Platz brauchen würden.
    »Das hier ist für dich«, zischte der alte Schmuggler. »Aber wenn du dich nicht mehr blicken lässt, kann es auch leer bleiben.«
    Als einzige Antwort verpasste der Typ ihm einen harten Stoß mit dem Ellbogen in den Bauch, und Beniamino drückte ab. Eine Kugel in die Schläfe – der Idiot war tot, bevor seine Knie den Boden berührten.
    Kurz war Rossini atemlos. »Hab noch nie einen gesehen, der so scharf drauf war, sich kaltmachen zu lassen.«
    Die Gewissheit, es mit einem ungefährlichen Dilettanten zu tun gehabt zu haben, ließ uns alle Vorsichtsmaßnahmen vergessen. Wir verzichteten sogar darauf, seine Taschen oder seinen Wagen zu durchsuchen, den ich nach Vicenza bringen wollte. Höflichkeitshalber hinterlegten wir den Ring in dem Wagen, so dass seine Freunde, Chefs oder Komplizen erfuhren, dass man ihn beseitigt hatte.
    So viel dazu. Am nächsten Tag war die Sache vergessen. Und ohne alle Gewissensbisse. Wir hatten alles versucht, um ihm klarzumachen, dass er bei uns an den Falschen war.
    Einer der drei Umschläge diente zur Anschaffung eines neuen Felicia. Leider kein Modell aus der ersten Serie, sondern eines von 1996. Mit Hilfe des zweiten kurierten wir Ramzi und besorgten ihm eine Bleibe. Der dritte landete im Briefkasten eines Vereins, der sich um Straßenprostituierte kümmerte. Die meisten Huren müssen in einem Klima von täglichem Terror und Gewalt leben, und wir hatten einen Riesenrespekt und Bewunderung für die Freiwilligen, die allnächtlich versuchten, welche von der Straße zu holen.
    Die folgenden Monate verliefen ruhig. Das einzige Ereignis des Jahres 2004 war die Rückkehr von Sylvie Anfang Dezember. Wir feierten im Winkel. Sie tanzte für uns, es war ein unvergesslicher Abend. Der alte Rossini war der glücklichste Mensch auf Erden.
    »Sie kam und sagte: ›Jetzt bin ich wieder bei meinem Banditen‹«, erzählte er bewegt und umarmte mich.

Dienstag, 14. November 2006,
zwei Wochen nach Sylvies Verschwinden
    Max La Memoria betrat meine Wohnung, ohne anzuklopfen; er trug einen grellbunten Morgenmantel und unterm Arm einen hellgrünen Pappdeckel. »In dieser Geschichte mit dem Rauschgift ist nichts sicher«, legte er trocken los. »Nicht mal, was die Menge angeht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Erst hieß es, vierundvierzig Kilo würden fehlen, davon dreißig Heroin, zehn Koks und vier Amphetamine, Ecstasy und andere Pillen. Jetzt hab ich aber eine Antwort vom Staatssekretär des Innenministeriums auf eine schriftliche parlamentarische Anfrage, aus der hervorgeht, dass es neunundvierzig Kilo Heroin waren, rund sechs Kilo Koks und noch Kleinzeug.«
    »Mehr oder weniger dreizehn Kilo Unterschied. Nicht wenig«, kommentierte ich und warf eine Kippe in den Kamin.
    Der Dicke ließ sich aufs Sofa fallen. »Willst du wissen, was ich denke?«
    »Gern«, sagte ich. »Du kommst seit zwei Tagen nicht bei dir raus.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch das struppige Haar. »Die Räuber hatten es auf das Heroin abgesehen.«
    »Eine Arbeit auf Bestellung. Die Leute haben den Handelsweg, um den Stoff zu verticken, und dann haben sie wen aufgetrieben, der ihnen die Tür aufmachen konnte.«
    Max hielt mir einen Zeitungsartikel hin. »Ich bin gar nicht so sicher, dass es ums Business ging.«
    Ich las. Die Überschrift lautete »Keine Drogen, alle unschuldig«. Ein
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