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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla
Autoren: Sobo Swobodnik
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die pathologische Detailversessenheit ist weg, die Zwangsneurose geheilt. Ein Schlag kuriert den anderen. Er lächelte und griff sich an die Stirn.
    Maike startete den Wagen, legte den ersten Gang ein, gab Gas und fuhr los.
    »Und jetzt?«, kam es von der Rückbank.
    »Besuchen wir die Bullen«, sagte Maike und fuhr so rasant in die Kurve, dass Plotek sich festhalten musste.
    »Ohne mich«, wandte Plotek zaghaft ein.
    »Bitte.«
    »Ich kann das einfach nicht. Ich und die Polizei, das ist wie, wie . . .«
    »Homosexualität und Fußball«, sagte Maike.
    »Genau!«, kam es wieder von der Rückbank.
    »Na gut, dann gehe ich eben alleine.«
    »Danke.«
    »Schon gut.«
    Kuss.
    Kuss. Und wieder spürte Plotek eine kleine Erektion und dachte an Mehmet Scholl, der wo noch nicht Weltmeister war, aber mal was Schönes gesagt hatte: »Die schönsten Tore sind diejenigen, bei denen der Ball schön flach oben reingeht.

19

    Nachdem Plotek bei Wolle im Zapfhahn einige Weißbier und Schnäpse getankt hatte, war er schwankend in St. Pauli unterwegs.
    Orientierungslos trieb er durch die Straßen und wusste mal wieder nicht, wohin. Eine Gruppe schwäbischer Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen kam ihm entgegen, unschwer am Dialekt zu erkennen. Die Schwäbische Alb auf St. Pauli. Die Ostalb auf zwei Beinen im Erlebnisrausch. Große Augen vor Erotikshops. Bei den Riesendildos blieben den Schwabenmuttis die Münder offen stehen.
    »Guck a mol! Des gibt’s doch net!«
    Gibt es schon, dachte Plotek, nur im engen Schwabenland vielleicht nicht. Er grinste und dachte dann, nichts wie weg. Und lief geradewegs stark alkoholisierten pfälzischen Kegelbrüdern in die Arme, die hinter einer flotten Führerin mit adretter Kurzhaarfrisur von der sogenannten Kurverwaltung glucksend her waren. Die Führerin erklärte und die Kegelbrüder hörten kaum zu, gaben sich ungeduldig und pfiffen den schwäbischen Muttis hinterher, die aber für Pfiffe und Avancen nicht mehr zugänglich waren, da bei ihnen noch immer die Riesendildos im Kopf summten.
    Plotek ließ die Reeperbahn und St. Pauli hinter sich und setzte sich an die Alster auf eine Parkbank. Ausruhen und aufs Wasser schauen, dachte er, den Touristenströmen aus dem Weg gehen, nichts tun, einfach nur die Zeit verstreichen lassen. Das war das Zweitschönste, was es für Plotek gab. Das Schönste war ein Weißbier vor sich. Beides zusammen war ideal. Ging aber jetzt nicht. Also sah er eben nur aufs Wasser, ließ die Gedanken kommen und gehen und auch die Fußgänger, Fahrradfahrer, Skatboarder, Inliner und Jogger. Ganz Hamburg schien auf den Beinen und an der Alster unterwegs zu sein. Und alle kamen bei Plotek vorbei. Das fühlte sich an wie eine Generalaudienz. Plotek kam sich vor wie Papst Benedikt auf der Loga am Petersplatz in Rom zu Ostern. Zum Spaß hob er die Hand. Und schon winkte ein Fahrradfahrer zurück. War das nicht dieser bekannte Tagesschausprecher, den er da gerade gesegnet hatte? Möglich oder auch nicht. Es sahen ja viele aus wie bekannte Tagesschausprecher und waren völlig unbekannte Sachbearbeiter in Teilzeit bei einer Logistikfirma. Oder Fachverkäufer für Orthopädische Schuhmode kurz vor dem Rauswurf. Kaum war der Fahrradfahrer verschwunden, tauchte auch schon der nächste auf und noch einer und immer mehr. Und Jogger joggten vorbei. Nicht irgendwelche, sondern ganz bestimmte. Andy Möller zum Beispiel. Und Andy Brehme. Zumindest sahen beide so aus. Aber sahen nicht alle Deutschen irgendwie aus wie Andy Brehme oder Andy Möller? Und wenn nicht, dann wenigstens wie Andy? Oder Jochen? Oder Hartmut? Zumindest die Männer. Und die Frauen? Wie Claudia, Monika und Sabine? Das war doch Sieglinde, die jetzt in grellbuntem Stretch-Outfit angejoggt kam. Plotek griff in den Mülleimer neben der Parkbank, holte eine Zeitung heraus und hielt sie sich vors Gesicht. Klassische Tarnung. So konnte er natürlich nichts mehr sehen. Mit dem Finger riss er ein kleines Loch in die Zeitung, auch klassisch. Er sah Sieglinde an sich vorbeijoggen. Puh, Glück gehabt, dachte Plotek und nahm die Zeitung wieder herunter. Als nächstes kam eine ganze Gruppe von Joggern vorbeigelaufen. Je näher sie kamen, umso gleicher sahen sie aus. Sie trugen alle die gleichen Trainingsanzüge. Waren alle ungefähr gleich alt. Das sind die Profis vom HSV, dachte Plotek. Und recht hatte er. Van der Vaart, Wicky, Jarolim, Demel. Ob ich die auch segnen soll?, dachte Plotek. Lieber nicht, sonst werden die auch noch
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