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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla
Autoren: Sobo Swobodnik
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Dialogverweigerung. Als Selbstzweck. Schweigen um des Schweigens willen. Oder einfach Schweigen. Plotek würde vielleicht widersprechen, sagen, so stimmt das auch wieder nicht. Aber vergiss es. Plotek widersprach selten. Aber nicht, weil er keine Meinung hatte, sondern weil er sie selten jemandem verriet. Eigentlich nie und niemandem. Auch Agnes nicht. Die sagte dann immer: »Egoist.« Woraufhin Plotek eingeschüchtert zusammenzuckte, lange nachdachte, um schließlich doch noch etwas zu sagen, nämlich: »Das hat damit überhaupt nichts zu tun.«
    »So, so? Und womit sonst?«, entgegnete Agnes dann provokativ und lachte.
    Plotek zuckte daraufhin mit den Schultern und schwieg wieder.
    Jetzt auch. Ob mit oder ohne Gedenkminute. Er sah den Denkenden andächtig beim Gedenken zu und dachte, vielleicht ist wieder einer dieser greisen Sportfunktionäre mit oder ohne Bypass gestorben oder irgendein wichtiger Mensch aus der Politik-, Kultur- und Gesellschaftselite oder zumindest einer, der sich zeitlebens dafür hielt. Oder von den anderen gehalten wurde. Oder beides. Plotek interessierte sich nicht sonderlich für Politik, Kultur und Gesellschaft, für Eliten, welcher Art auch immer, noch weniger, für Sportfunktionäre auch nicht, für Funktionäre generell nicht. Plotek interessierte sich eigentlich für gar nichts, zeitweise nicht mal für sich selbst. Im Augenblick nur für Fußball, aber der bewegte sich im viereckigen Kasten noch immer nicht vom Fleck. Wie lange so eine Minute sein kann, dachte Plotek, und dann dachte er an den alten Einstein. Und seine herausgestreckte Zunge. Dabei musste er grinsen, einfach so, ohne große Hintergedanken.
    »Psst«, machte Susi jetzt wieder, als ob lautloses Grinsen eine Lärmbelästigung wäre.
    Plotek zuckte zusammen. Ihm fiel auf, dass alle Spieler ein schwarzes Band am Oberarm trugen. Ob da ein Zusammenhang bestand? Keine Ahnung. Und wieder mischte sich Susi ein, als könnte sie Ploteks Gedanken lesen, so leise, dass er gut zuhören musste, um sie überhaupt zu verstehen.
    »Trauerflor«, sagte sie und Plotek wurde ein wenig unheimlich zumute. Ob das am Trauerflor oder an Susis Hellsicht lag. Noch einmal, keine Ahnung.
    Auf jeden Fall war jetzt ein Pfiff zu hören, die Gedenkminute war vorbei, die Spieler lösten sich aus ihrer starren Haltung und der Reporter fing wieder an, seinen akustischen Unrat ins Universum zu blasen.
    »So eine Andacht, so eine ehrliche Ergriffenheit, so eine öffentliche Verbeugung vor dem Toten sieht man selten, da wird der Sport sehr menschlich und für seine Gefühle braucht sich niemand zu schämen. Auch ich, meine lieben Zuschauer, bin den Tränen nahe, denn so ein junger Spieler und so ein tragischer Tod, da muss der Sport einfach für ein paar Momente in den Hintergrund treten«, schwafelte Rainer von Plorre.
    Vielmehr abtreten, dachte Plotek, abtreten müsste so ein telegener Labersack oder am Mikrofon ersticken und auf ewig die Schnauze halten. Aber denkste.
    »In diesem Moment sind wir alle bei den Anverwandten, den Eltern, den Freunden, der Freundin des Verstorbenen, die um diesen plötzlichen Tod trauern.«
    Seit wann trauert man um den Tod, dachte Plotek und hatte dann vom Feeling her ein schlechtes Gefühl und musste an Andy Möller, den Fußballer, denken und schmunzeln. Da maßregelte ihn Susi erneut mit einem scharfen Blick. Sie flüsterte nach wie vor, als würde aus der Gedenkminute eine Gedenkstunde und aus dem Froh und Munter eine Aussegnungshalle, und stimmte in die Trauerrede des Reporters ein. »Tragisch ist dieser junge Spieler von Altona ums Leben gekommen«, tuschelte sie und machte eine Miene, als würde der junge tote Spieler aufgebahrt auf dem Tresen liegen.
    Natürlich fragte sich Plotek jetzt, was für ein Spieler und wie ums Leben gekommen. Einerseits. Andererseits fragte er sich aber auch, warum Susi ihre resolute Stimme in Urlaub geschickt hatte.
    »Halsschmerzen«, krächzte sie und hustete so eindrucksvoll, dass Plotek gleich einen halben Meter vom Tresen zurückwich. Man muss wissen, dass Plotek sehr empfänglich war für Krankheiten. Vor allem für Krankheiten von anderen. Kaum hörte er jemanden in seiner unmittelbaren Umgebung husten, spürte er schon ein Stechen in der Brust. Klagte einer über Magenschmerzen, grummelte es bei ihm sogleich im Bauch. Und sah er im Fernsehen eine Sendung über Tumore, welcher Art auch immer, griff er sofort zum Telefon und machte einen Termin beim Doktor Hohenthaler klar.
    Und auch
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