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Ball der Vampire

Ball der Vampire

Titel: Ball der Vampire
Autoren: Charlaine Harris
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orangefarbenes Seidenkleid war schon ganz dunkel und feucht von ihrem Blut.
    »Aber wäre es das nicht wert, Ma'am?«
    Nachdenklich schwieg die Königin eine Weile, während ich ungefähr sechs Türriegel aufschob.
    »Im Ganzen gesehen, ja«, sagte Sophie-Anne. »Geld ist schließlich nicht alles.«
    »Oh, gut «, rief Andre glücklich und hob die Pistole. In der anderen Hand hatte er einen Pfahl, wie ich jetzt erst sah. Aber ich blieb nicht, um mir anzusehen, wie Andre die Tat vollbrachte.
    In meinen grünen Abendschuhen lief ich geradewegs auf den Rasen hinaus. Erstaunlicherweise waren die Schuhe heil geblieben, was sich von meinem Knöchel nicht behaupten ließ. Den hatte Jade Flower mit ihrem eisenharten Griff böse verletzt. Schon nach zehn Schritten konnte ich nur noch humpeln. »Vorsicht vor dem Löwen«, rief die Königin, und als ich mich umdrehte, sah ich, dass Andre sie aus dem Gebäude trug. Ich fragte mich, auf wessen Seite der Löwe wohl stehen mochte.
    Und da tauchte die große Raubkatze auch schon direkt vor mir auf. In der einen Minute lag mein Fluchtweg noch offen vor mir, und in der nächsten war er von einem Löwen verstellt. Die Außenbeleuchtung war erloschen, und im Mondlicht sah das wilde Tier so schön und so tödlich gefährlich aus, dass die Angst mir fast den Atem nahm.
    Der Löwe gab ein tiefes kehliges Knurren von sich.
    »Hau ab!«, rief ich, denn es gab nichts, womit ich gegen einen Löwen bestehen konnte, und ich war total am Ende mit meinem Latein. »Hau ab! Geh weg!«
    Und er verzog sich ins Gebüsch.
    Ich glaube ja kaum, dass das typisches Löwenverhalten ist. Vermutlich hatte er den Tigergeruch gewittert, denn nur eine Sekunde später kam der verwandelte Quinn lautlos und elegant über den Rasen heran. Er rieb seinen großen Kopf an meinem Bein, und gemeinsam gingen wir zur Mauer hinüber. Andre legte seine Königin davor ab und sprang mit einem leichten, anmutigen Satz hinauf. Für seine Königin teilte er den Stacheldraht mit nur notdürftig von seinem zerrissenen Jackett bedeckten Händen. Dann kam er wieder herunter, hob Sophie-Anne vorsichtig hinauf und verschwand mit einem großen Satz auf der anderen Seite.
    »Das kann ich aber nicht«, sagte ich und hörte selbst, wie mürrisch das klang. »Darf ich mich auf deinen Rücken stellen? Ich ziehe auch die Schuhe aus.« Quinn stellte sich dicht an die Mauer, und ich schob mir die Sandalenriemchen über den Arm. Ich wollte dem Tiger natürlich nicht zu viel Gewicht zumuten, aber mehr als alles andere wollte ich endlich von hier weg. Und so versuchte ich, wenigstens keine allzu schweren Gedanken zu wälzen und auf dem Rücken des Tigers das Gleichgewicht zu halten, bis es mir schließlich gelang, mich die Mauer hinaufzuziehen. Als ich auf der anderen Seite hinuntersah, schien mir der Gehweg unglaublich weit unten zu liegen.
    Nach allem, was ich an diesem Abend durchgemacht hatte, war es idiotisch, sich wegen eines halben Meters mehr oder weniger so anzustellen. Doch ich saß einige Minuten auf der Mauer und musste mir immer wieder sagen, wie dumm das doch war. Dann erst brachte ich es fertig, mich so weit wie möglich hinunterzulassen. Ich zählte laut: »Eins, zwei, drei!« Und dann ließ ich los und fiel von der Mauer.
    Einen Moment lang lag ich einfach nur da, erstaunt darüber, wie dieser Abend sich entwickelt hatte.
    Hier lag ich, auf einem Gehweg im ältesten Teil von New Orleans, die Brüste hingen mir aus dem Ausschnitt, mein Haar war völlig zerzaust und ein Tiger leckte mir das Gesicht. Quinn war ziemlich leichtfüßig über das Hindernis hinweggesprungen.
    »Was meinst du, wäre es besser, als Tiger oder als großer nackter Mann zurückzugehen?«, fragte ich den Tiger. »Tja, Aufsehen würdest du wohl so oder so erregen. Allerdings würdest du als Tiger sicher eher Gefahr laufen, erschossen zu werden.«
    »Dazu wird es nicht kommen«, sagte jemand, und Andre beugte sich über mich. »Ich habe die Königin in ihren Wagen gesetzt und kann Sie hinfahren, wohin Sie wollen.«
    »Wirklich äußerst nett«, erwiderte ich, als Quinn begann sich zurückzuverwandeln.
    »Ihre Majestät sagt, sie stehe in Ihrer Schuld«, meinte Andre.
    »Das sehe ich nicht so«, entgegnete ich. Was sagte ich denn da? Konnte ich nicht einfach mal den Mund halten? »Na ja, hätte ich das Armband nicht gefunden und zurückgegeben, dann hätte der König...«
    »Er hätte den Krieg heute Abend sowieso begonnen«, sagte Andre, half mir auf die Beine und
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