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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17
Autoren: Samuel R. Delany
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bedachte die Gesellschaft mit einem Blick, in dem sich Mißbilligung mit vornehmer Zurückhaltung paarte, und fragte: »Doktor Tumwarba?«
    »Richtig. Ich habe einen Alkoven am Fenster bestellt. Sie können uns gleich eine Runde Aperitifs bringen lassen. Das Menü habe ich bereits festgelegt.«
    Der Oberkellner nickte und führte sie zu einem hohen Bogenfenster mit Ausblick auf den Platz der Allianz. Ein paar Gäste wandten die Köpfe und sahen ihnen nach.
    »Im Verwaltungshauptquartier versteht man offenbar zu leben«, sagte Tumwarba lächelnd.
    »Jedenfalls diejenigen, die das Geld haben«, sagte Ron.
    »Ich wünschte, ich hätte ein paar von den Jungen mitbringen können«, meinte der Steward. »Sie trauern immer noch dem entgangenen Festmahl beim Grafen nach.«
    »War das Graf Verdorco?«
    »Ja«, sagte Calli. »Ein Festessen, wie man es nur einmal im Leben zu sehen kriegt. Und wir gingen leer aus.«
    »Graf Verdorco war Waffenmeister in Armsedge, nicht wahr?« sagte Tumwarba. »Ich habe über seinen Tod gelesen. Rydra war dort?«
    »Wir alle waren dort. Es war ein wilder Abend.«
    »Wie passierte es genau?«
    Brass schüttelte seinen Kopf. »Nun, wir gingen als die ersten …« Als er seine Erzählung, die von den anderen mit Einzelheiten ausgeschmückt wurde, beendet hatte, sagte Dr. Tumwarba: »In den Zeitungen stand es natürlich etwas anders, wie sich denken läßt. Was war dieses TW 55?«
    Brass zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
    Tumwarba fuhr zusammen, als eine Stimme im Innern seines Kopfes sagte: »Es ist ein speziell gezüchtetes menschliches Wesen, das von Geburt an immer wieder überarbeitet wird, bis es nicht mehr menschlich ist. Ich bin das Auge, und ich war mit Kapitän Wong, als der Graf ihr den TW 55 zeigte und erklärte.«
    Dr. Tumwarba nickte. »Gibt es sonst etwas, das Sie mir sagen können?«
    Der Steward, der vergeblich versucht hatte, es sich auf dem harten Stuhl mit der steifen Lehne bequem zu machen, lehnte seinen Bauch an die Tischkante und fragte: »Warum?«
    Die anderen wurden sehr schnell still. Der dicke Mann blickte in die Runde. »Warum erzählen wir ihm all das? Er wird zurückgehen und es bei den Flottenleuten herumtratschen.«
    »Richtig«, gab Dr. Tumwarba zu. »Alles davon, was Rydra helfen könnte.«
    Ron stellte sein Bierglas auf den Tisch zurück. »Die Militärs waren nicht gerade freundlich zu uns, Doktor«, erklärte er.
    »Sie luden uns nicht in feine Restaurants ein«, ergänzte Calli. »Und sie bewirteten uns nicht mit Pommes frites und Frikadellen.« Er machte eine naserümpfende Geste zu den Platten auf dem Tisch. Mollya sekundierte ihm, indem sie die rote Flasche nahm und mißtrauisch betrachtete.
    »Tomatenketchup«, sagte Dr. Tumwarba.
    »Gräßlich«, hauchte sie und stellte die Flasche schnell wieder auf das Damasttischtuch.
    Der Steward lehnte sich zurück und hörte auf, Tumwarba anzusehen. »Diavolo sollte jetzt hier sein. Er ist ein Koch und ein Künstler. Er weiß, was für eine hungrige Mannschaft gut ist, und er hat ein Gefühl für kultivierte Küche. Er würde uns gefüllten Fasan vorsetzen, dann vielleicht Seezungenfilet mit Mayonaise.« Er seufzte. »Aber Frikadellen und Pommes frites mit Tomatenketchup auf Porzellantellern und weißem Damast – das wäre ein Schlag für ihn.«
    Brass sagte: »Was habt ihr gegen das Essen, zum Teufel? Oder ist es der Doktor, der euch nicht schmeckt?«
    »Das eine schmeckt uns sowenig wie der andere«, sagte Calli. »Uns mit einem feinen Restaurant ködern und dann mit einem Essen abspeisen, wie man es an jeder Ecke im Schnellimbiß kriegen kann. Und dafür sollen wir ihm und dem Militär alles erzählen, was wir wissen.«
    »Tut mir leid«, sagte Dr. Tumwarba. Er winkte mit säuerlicher Miene den Kellner heran, ließ das Gericht abräumen und die Karte bringen. Nachdem sie marinierte Austern mit Aioli, gefüllte Tauben, Cordon Bleu und ähnliche Spezialitäten bestellt hatten, ergriff er wieder das Wort.
    »Sehen Sie, wenn Sie mir alles sagen, was Sie wissen, kann ich sehr viel leichter etwas für Rydra tun. Ich nehme an, das liegt auch in Ihrem Interesse.«
    »Einer von uns will nicht, daß Sie etwas für sie tun«, sagte Brass und grinste in seinen wirren Bart. »Aber wir wissen nicht, welcher es ist.«
    Dr. Tumwarba blickte ihn fragend an.
    »Es war ein Spion an Bord«, fuhr Brass zögernd fort. »Wir wußten alle davon. Zweimal versuchte er, das Schiff zu zerstören. Ich glaube, er ist für das
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