Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17
Autoren: Samuel R. Delany
Vom Netzwerk:
dann wieder über seine Brust zu ergießen und zu verteilen. »Wissen Sie, Kapitän«, sagte er, »unser Erster Navigator muß ein Mädchen sein …«
    »Keine Sorge«, sagte Rydra. »Ich weiß Bescheid.«
    Sie nahmen die Einschienenbahn zur Station Thule, unweit vom Raumhafen. Blaue Signallichter glühten aus der Schwärze vor den Fenstern. Schiffe starteten in weißen Glutwolken und wurden blutige Sterne in der rostigen Luft.
    Als sie auf den offenen Bahnsteig hinaustraten, wehte ein warmer Wind von Osten. Die Wolken hatten sich aufgelöst, und ein elfenbeinfarbener Mond stand hoch im Himmel. Hinter ihnen lag die Stadt unter rotglühendem Dunst. Vor ihnen ragte schwarz das Leichenhaus.
    Sie gingen die Treppe hinunter und wanderten still durch den Steinpark. Der Garten aus Wasser und Fels war unheimlich in der Dunkelheit. Nichts wuchs hier.
    Der plattenbelegte Weg endete an einer glatten Metalltür ohne äußere Beleuchtung. Rydra nahm ihre Kapitänsplakette vom Hals und hielt sie gegen eine kleine Scheibe. Etwas summte, und die Türhälften glitten zurück. Vier Augenpaare blinzelten in helles Licht. Rydra ging hinein, die anderen folgten.
    Calli blickte neugierig die langen Reihen der Türen entlang, die zu den Tiefkühlabteilen führten. Die zentrale Eingangshalle, in der sie standen, öffnete sich nach drei Seiten in mehrgeschossige Gebäudeflügel mit fünfzig Meter langen Mittelkorridoren.
    »Erinnert irgendwie an ein Gefängnis«, sagte er zu Ron. »Hier muß genug Gefrierfleisch liegen, um die Planeten von hundert Sternen zu bedienen. Wenn man alle diese Transportleute aufweckte, würde es den Arbeitsmarkt hübsch durcheinanderbringen.«
    »Hier liegen auch Leute vom Zoll«, sagte der Inspektor.
    »Kann mir nicht denken, daß jemand auf die Idee kommen würde, einen vom Zoll wiederzubeleben«, bemerkte Ron.
    »Ich wüßte auch nicht, wozu«, sagte Calli.
    »Es soll gelegentlich vorkommen«, erwiderte der Beamte trocken.
    »Natürlich seltener als bei Transportleuten«, sagte Rydra. »Was der Zoll dazu beiträgt, Schiffe von Stern zu Stern zu bringen, ist Wissenschaft. Die Arbeit der Transportleute, die durch hyperstatische Ebenen manövrieren, ist noch immer eine Kunst. In hundert Jahren wird es vielleicht auch eine Wissenschaft sein. Aber einstweilen ist eine Person, die die Regeln der Kunst gelernt hat, ein wenig seltener als die Person, die die Regeln der Wissenschaft beherrscht. Auch die Tradition spielt eine Rolle. Transportleute sind es gewohnt, zu sterben und zurückgerufen zu werden, mit Toten oder Lebendigen zu arbeiten. Für Außenstehende ist das immer noch schwer zu verstehen. Hier rechts geht es zu den Selbstmorden.«
    Sie gingen in den rechten Korridor. »Was ich an dieser ganzen Sache nicht verstehe«, sagte der Zollinspektor, »ist der Wiederbelebungsprozeß. Kann jeder Gestorbene wiederbelebt werden, wenn er nur rechtzeitig hierhergebracht wird?«
    »Natürlich nicht. Der Körper muß gesund und einigermaßen intakt sein, wenn er hierherkommt. Wenn jemand an einer schweren Krankheit stirbt, tödlich verletzt wurde oder einfach seine normale Lebensspanne durchlaufen ist, dann ist er tot und bleibt tot.«
    Rydra blieb an einer Art Lesepult stehen. Ein von innen beleuchtetes Schriftfeld unter einer eingesetzten Glasplatte glomm gelblich. »Calli, Ron, kommen Sie.«
    Die Navigatoren folgten der Aufforderung zögernd.
    »Kennen Sie einen Ersten Navigator, mit dem Sie gern zusammenarbeiten möchten?« fragte sie.
    »Einen, der gestorben ist, meinen Sie?« sagte Ron. »Nein.«
    Rydra drückte auf den Knopf »1. Nav.«, dann fand sie einen mit der Aufschrift »fem.« und drückte auch den. »So«, sagte sie. »Nun passen Sie gut auf, Ron und Calli. Überlegen Sie sich, was Sie wollen.«
    Die ersten Namen und Persönlichkeitsdaten erschienen im Schriftfeld.
    »Nun, hm …« Calli kratzte seinen Kopf.
    »Hübsch«, sagte Ron. »Sie soll hübsch sein, würde ich sagen.«
    »Ich weiß genau, was du willst«, sagte Calli. »Ein niedliches irisches Mädchen mit schwarzen Haaren, grünen Augen und Sommersprossen, zärtlich und ein bißchen auf der üppigen Seite, und sie darf auf keinen Fall lispeln …«
    »Schnauze!« sagte Ron. »Ich habe gesagt hübsch. Und sie soll Sport mögen, zum Beispiel Ringen. Cathy war nicht sehr athletisch. Ich dachte mir immer, es wäre besser für mich, wenn sie es wäre. Ich kann besser mit Leuten reden, mit denen ich auch ringen kann. Und sie sollte schnell denken, wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher