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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch
Autoren: Ina Norman
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hervorstachen. Um Knöchel und Handgelenke zogen sich eiternde Geschwüre. Das musste eine Qual sein, aber das breite Gesicht mit der flachen Nase und den wulstigen Lippen zeigte keine Regung, als sei das Mädchen schon jenseits aller Schmerzen. Verfilzte Zotteln von unbestimmbarer Farbe hingen ihr in die Stirn, wimmelnd von Ungeziefer. Am schlimmsten waren jedoch die leeren, dunklen Augen mit den geröteten, entzündeten Rändern und den dicken Eiterperlen in den Augenwinkeln. Das Mädchen sah aus, als stünde es auf der Schwelle des Todes.
    »Du kannst sie nicht zurückschicken.« Ninians Worte brachen den Bann. Wag sank erleichtert in sich zusammen.
    »Und warum nicht?«, fauchte Jermyn.
    »Schau sie doch an - der Schuft, der sie verkauft hat, wird sie nicht zurücknehmen und was soll aus ihr werden, wenn sie da unten am Hafen bleibt? Sie ist doch ein Kind!«
    Jermyn wusste, dass sie recht hatte. Wenn er Wag zwang, das Mädchen wegzubringen, setzte er es einem grausamen Geschick aus. Aber er hatte keine Lust, die Verantwortung für ein krankes, elendes Kind zu übernehmen. Sein stechender Blick schien den Panzer des Stumpfsinns zu durchbrechen, denn die Augen des Mädchens weiteten sich plötzlich angstvoll und sie wimmerte.
    »Jermyn!«
    »Patron, nich ...«, Wag war mit einem Ruck hochgefahren und stellte sich vor seinen Schützling, aber Jermyn hatte sich abgewandt.
    »Macht, was ihr wollt«, knurrte er, »aber du bist für sie verantwortlich«, wütend deutete er auf Wag, »ich will nichts mit ihr zu tun haben, und wenn wir durch sie Schwierigkeiten bekommen, wirst du es ausbaden!«
    Ninian und Wag waren mit dem verängstigten Mädchen allein geblieben. »Danke, Patrona«, flüsterte Wag und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Jetzt is er sauer, aber ich konnt nich anders!«
    »Ach, der fängt sich schon wieder, aber was willst du jetzt mit der Kleinen machen? Weißt du, wie sie heißt?«
    »Nee, der Händler hat nur ,He - du‘ zu ihr gesagt un sie selber sagt gar nix. Ich glaub, sie bräucht ’nen Bader.«
    Schließlich brachte Ninian das Mädchen zu LaPrixa und Wag trottete hinterdrein, was von seiner Entschlossenheit zeugte, denn gewöhnlich ging er der Hautstecherin aus dem Weg.
    Ninian hatte gehofft, LaPrixa könne vielleicht mit dem Mädchen reden, aber die Kleine flüchtete nach dem ersten Blick in das narbengeschmückte Antlitz mit einem erstickten Aufschrei hinter Wags Rücken. LaPrixas Anblick schien ihr ebenso Angst einzujagen wie Jermyns bohrender Blick. Auch verstand sie nichts von dem, was LaPrixa barsch mit verschiedenen gutturalen Lauten zu ihr sagte.
    »Wo habt ihr sie her?«, fragte die Hautstecherin endlich.
    »Wag hat sie am Hafen gefunden«, erwiderte Ninian, da sie nicht sicher war, wie LaPrixa es aufnehmen würde, dass Wag das Mädchen gekauft hatte. LaPrixa warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
    »So, und was hat er mit ihr vor? Vielleicht ist es besser, sie kommt zu mir.«
    Ninian zögerte - war die Kleine nicht wirklich am besten bei LaPrixa und den anderen Frauen aufgehoben? Aber Wag war die Angst des Mädchens nicht entgangen und zum zweiten Mal an diesem Tag überwand er seine Furcht.
    »Nee, nix da, die bleibt bei mir!«
    Beschwörend sah er Ninian an und nach einem Blick auf die entsetzten Augen des Kindes sagte sie:
    »Danke für dein Angebot, LaPrixa, aber wenn wir sie am Leben halten können, soll sie Wag in unserem Hausstand helfen, ich werde schon ein Auge auf sie haben.«
    Zu Wags Erleichterung zuckte die Hautstecherin die Schultern: »Die wird schon durchkommen, sind zäh, diese Buschleute.«
    »Was weißt du über sie?«, fragte Ninian neugierig.
    »Mein Volk hat von ihnen seine Sklaven geholt«, erwiderte LaPrixa gleichmütig, »deshalb ist sie so erschrocken. Wahrscheinlich ist sie auch durch so einen Überfall hierher gekommen, aber sie muss weit aus dem Süden stammen, wenn sie keinen der Dialekte versteht, die ich gesprochen habe.«
    Sie bemerkte Ninians Blick und fügte trocken hinzu: »Schau nicht so entsetzt, Täubchen, mein Volk ist ein kriegerisches Volk, aber ich gehöre nicht mehr zu ihm. Glaub mir: Jemand, der Menschen als Sklaven hält, hat nichts Gutes von mir zu erwarten.«
    Unter ihrem drohenden Blick scharrte Wag unbehaglich mit den Füßen.
    LaPrixa sah sich die Wunden an den Knöcheln des Mädchens an und nachdem sie festgestellt hatte, dass sie von Hand- und Fußketten herrührten, gab sie Ninian einen Tiegel mit Salbe und saubere
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