Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausziehen!

Ausziehen!

Titel: Ausziehen!
Autoren: Lois Greimann
Vom Netzwerk:
Bier kommt so schnell nix an.
    Brutus O’Malley, Chrissys erster Verehrer
     
     
    T ut mir leid, dass ich dich damit belästige«, entschuldigte ich mich. Ziemlich niedergeschlagen stand ich auf der geräumigen, von Pfeilern gesäumten Veranda meines Freundes und Kollegen, Dr. David Hawkins. Die weiße Korbschaukel am anderen Ende der riesigen Veranda wirkte vor dem Holzgeländer so elegant und vornehm, dass ich mich im Vergleich dazu noch ungepflegter fühlte.
    »Chrissy«, sagte David, trat auf mich zu und nahm mich in den Arm. »Mach dich nicht lächerlich!« Sein scheltender Ton hatte etwas Väterliches, als er mich an den Armen hielt und sich nach hinten lehnte, um mich zu betrachten. Meine Wimperntusche war verschmiert, und die Haare hatte mir der Wind vollkommen zerzaust, aber ich war mir sicher, dass zumindest meine Nase nicht mehr lief. Also war ja alles in Butter. »Komm rein!«
    Ich trat ein, obwohl ich mich immer noch ganz zittrig und verwirrt fühlte. Der Tag war bisher der reinste Horror gewesen, der mit Riveras Besuch bei mir angefangen hatte und mit einem Dutzend unangenehmer Anrufe von unwillkommener Seite weitergegangen war. Elaine hatte für mich alle Termine abgesagt, da ich mich nicht in der Lage fühlte, über die wiederkehrenden Mayonnaise-Träume eines Patienten zu diskutieren, wenn meine eigenen eine Leiche mit einem Ständer beinhalteten.
    Stattdessen hatte ich David angerufen. Die Psychology Today hatte ihn als einen der herausragendsten Therapeuten unserer Zeit bezeichnet. Sein Haus, ein herrschaftliches Gebäude mit bunten Fenstergläsern und einer Dreifachgarage, schmiegte sich an den Hang des San Rafael Hill und befand sich in einer reichen Wohngegend. Meine eigene bescheidene Behausung war etwa fünfzig Kilometer weiter und fünf soziale Klassen tiefer im Nordwesten angesiedelt. Sie hatte in etwa die Größe von Davids Whirlpool. Aber ich konnte einfach nicht eifersüchtig auf ihn sein. Für mich war er der Seelendoktor, den ich nie gehabt hatte.
    »Setz dich«, sagte David, als wir am Ende des vornehmen, ellenlangen Korridors angekommen waren und sein Arbeitszimmer betreten hatten. Ich ließ mich auf der Ledercouch nieder und faltete meine Hände über dem Knie, um sie ruhig zu halten. In der Vergangenheit hatte ich die schlechte Angewohnheit besessen, in stressigen Situationen an den Fingernägeln zu kauen. Und was meine eigene Erfahrung anbelangte, so konnte ich durchaus sagen, dass Tight Ends mit einer postmortalen Erektion dazu neigen, den Stress ins Unermessliche zu steigern. »Dann erzähl mal«, sagte David, nachdem er auf dem Sessel gegenüber Platz genommen hatte.
    Aus einiger Entfernung drang klassische Musik aus einem der Zimmer, und der graziöse Klang einer Flöte schwebte zart durch das Haus. Ich spielte zwar keine Flöte, aber an der Tuba war ich verdammt gut gewesen.
    Ich schüttelte den Kopf und kam mir ziemlich dumm vor. Außerdem war mir heiß. Wer auch immer behauptete, in L.A. herrsche angenehmes Wetter, der hatte hier noch nie Ende August einen Tag mit einer kaputten Klimaanlage verbracht. Aus reinem Selbstschutz hatte ich die Fenster meines Saturns heruntergekurbelt, als ich auf der Interstate 210 in Richtung Westen zockelte. Dabei hatten sowohl der Smog als auch der Fahrtwind meinem Haar übel mitgespielt. »Es tut mir leid«, wiederholte ich, da ich nicht wusste, wie ich anfangen sollte. »Ich bin mir sicher, dass du heute schon über mehr als genug Probleme geredet hast.« Heute und an jedem anderen Tag, denn David hatte nicht nur viele Patienten, sondern auch sehr berühmte. Es ging das Gerücht, er habe einmal sogar den Talkshow-Moderator Rush Limbaugh wegen seines Übergewichts beraten, aber auch Genies können mal scheitern.
    »Quatsch.« Er beugte sich vor und nahm meine Hände. »Der Tag, an dem ich keine Zeit für meine Freunde habe, ist der Tag, an dem ich kein Freund bin.«
    Trotz allem - der Leiche, des Schlafmangels, meiner Haare, die aussahen, als hätte ich die Finger in die Steckdose gesteckt - spürte ich, wie meine Anspannung merklich nachließ. David hatte einfach diese Wirkung auf Menschen. Vielleicht lag es an seiner Stimme - voll und wohltuend wie Vanille -, vielleicht hatte es aber auch etwas mit seinem Alter zu tun. Er war ein reifer Mann, sowohl physisch als auch emotional, was mir in Bezug auf den Rest der männlichen Bevölkerung doch noch etwas Hoffnung machte. Sein Haar war silbergrau, das Gesicht leicht gebräunt und an der Stirn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher