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Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Auszeit für Engel: Roman (German Edition)

Titel: Auszeit für Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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    Ganz unerwartet fing ich an zu lachen. »Du bist einer von den ganz Aufrechten, nicht wahr, Shay?«
    »Das versuche ich zu sein. Es ist mir wichtig.«
    »Deine Frau hat echt Glück, dass sie einen Mann hat, der immer bei ihr bleiben wird.«
    Er nickte.
    »Obwohl er sich auf Abwege begibt, wenn er auf Geschäftsreise ist.«
    Sein Gesicht lief dunkelrot an, und er richtete sich auf. »Du brauchst nicht so hässlich zu sein. Ich versuche nur –«
    »Was? Es allen recht zu machen?« Ich musste wieder lachen.
    »Fair zu sein.«
    »Fair. Als wärst du ein Preis.«
    Er sah mich an. Er wirkte überrascht, und mir wurde klar, wie froh ich war, dass ich nicht seine Frau war, die sechstausend Meilen entfernt auf ihn wartete und drei Kinder versorgte und sich ängstlich fragte, was ihr attraktiver, charmanter Ehemann so trieb. Und noch etwas anderes wurde mir klar: Ich würde nie eine Schnecke von der Windschutzscheibe seines Autos entfernen.
    »Du willst es allen recht machen, du kannst nicht nein sagen. Ist das nicht anstrengend?«
    Er sah nicht glücklich aus. Ganz im Gegenteil.
    »Ich dachte, das sei es, was du wolltest«, sagte er verwirrt. »Warum hast du mich sonst dauernd angerufen und darauf bestanden, dich mit mir zu treffen? Du wusstest, dass ich verheiratet war …«
    Himmel, so gesehen hatte er Recht: In den letzten Tagen hatte ich ihn regelrecht verfolgt.
    »Warum bist du hergekommen?«, fragte er. »Was wolltest du von mir?«
    Gute Frage. Sehr gute Frage. In seiner Nähe zu sein, war, als würde man zu lange in die Sonne blicken, und es hatte mich vorübergehend geblendet. Ich war zu ihm hingezogen worden, wie eine Motte zum Licht, aber ich hatte nur eine ungenaue Vorstellung von dem, was ich zu erreichen hoffte.
    »Ich wollte wissen, warum du mir nie geschrieben hast.« Doch das wusste ich schon, dazu brauchte man keine Kenntnisse in Astrophysik: Er war meiner überdrüssig geworden und hatte nicht den Mumm gehabt, es mir zu sagen. Nichts Besonderes, so etwas passiert ständig, besonders in dem Alter.
    »Mehr nicht?«
    »Nein.«
    »Ganz sicher?«, sagte er ein wenig höhnisch. »Du wolltest doch viel mehr.«
    Das stimmte nicht. Ich war mir nicht sicher gewesen, was ich wollte, aber jetzt hatte ich Gewissheit über das, was ich nicht wollte. Ich wollte keine Beziehung mit ihm, weder Teilzeit noch sonst wie.
    »Ehrlich, ich wollte nur einen Schlussstrich.«
    »Na, den hast du ja jetzt«, sagte er knapp.
    »Stimmt, den habe ich.« Ich grinste.
    »Dir scheint es ja plötzlich prächtig zu gehen.«
    »Das ist richtig.« Ich fühlte mich leicht und befreit. Shay Delaney war einfach ein Mann aus einem anderen Leben, die Verkörperung einer Hoffnung, deren Verfallsdatum seit Jahren verstrichen war.
    Plötzlich musste ich an die Forscher denken, die in eine Pyramide eindringen und nach Schätzen suchen, aber wenn sie an ihr Ziel kommen, ist das Grab leer – jemand anders war schon lange vor ihnen da.
    »Hast du mal Jäger des verlorenen Schatzes gesehen?«, sagte ich unbestimmt.
    Er sah mich an, als wäre ich völlig übergeschnappt. »Natürlich habe ich den gesehen.«
    In dem Moment brach der Gedanke, der im Hintergrund gelauert hatte, an die Oberfläche meines Bewusstseins – Garv hatte Recht gehabt, als er sagte, dass Shay einer der Gründe gewesen sei, warum ich nach L. A. gekommen war. Es war keine bewusste Entscheidung gewesen, sondern eine, die irgendwo in den Niederungen meines Verstandes getroffen worden war. Aber an meinem ersten Abend in L. A., als Emily mir erzählte, dass Shay öfter hier sei, wusste ich schon Bescheid – und schon damals hatte ich mich gefragt, ob ich deshalb so bereitwillig auf Emilys Einladung eingegangen war.
    Man braucht mit einem Menschen nicht zu schlafen, um untreu zu sein! Man kann auch mit den Gefühlen untreu sein  – das hatte ich gesagt.
    Armer Garv. Und dann die Träume, die ich immer wieder hatte und in denen Shay vorkam. Garv wusste nichts davon – es sei denn, er wusste es doch. Er schien mir mehrere Schritte voraus zu sein.
    Armer Garv, dachte ich wieder. Wie musste es die ganze Zeit für ihn gewesen sein – damit zu leben, dass seine Frau noch eine Restliebe für einen anderen empfand? Wie einsam musste er gewesen sein, als ich die Fehlgeburten hatte und er sich mit allen anderen um
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