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Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit

Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit

Titel: Auszeit - Die groeßte Katastrophe der Menschheit
Autoren: Wolfgang Doll
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Zeit einfach zu schätzen. Im Zeitschätzen war er gut. Auch ohne Uhr konnte er die Tageszeit ziemlich genau sagen. Für diese Fähigkeit, obwohl sie nichts brachte, wurde er von vielen beneidet. Er überlegte, wie lange er warten sollte. Drei Minuten, vier, fünf? Fünf Minuten müssten richtig sein, überlegte er. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Was sollte er in diesen fünf Minuten machen? Henry sah zu seiner Frau hinüber, die neben ihm im Bett lag. Sie hatte immer einen gesunden Schlaf. Hörte absolut nichts, wenn sie schlief. Nicht einmal die Vögel, die mit mindestens 80 Dezibel immer noch die Ruhe des frühen morgens zerrissen. An und für sich ungerecht, dachte Henry. Warum durfte sie schlafen, während er Minuten schätzen musste, um festzustellen, ob der Wecker stehen geblieben war oder nicht. Dabei hatte er den Schlaf viel nötiger als sie. Schließlich musste er ins Büro gehen und sie konnte zu Hause bleiben. Nicht, dass er die Hausarbeit unterschätzte, nein, ganz und gar nicht. Er war sich sehr wohl bewusst, dass das ein Knochenjob war. Aber sie hatte keinen Chef, dem sie Rechenschaft darüber abzulegen hatte, warum sie heute einmal nicht so fit war wie sonst. Henry sann darüber nach, was sein Chef sagen würde, wenn er ihm er klärte: Herr Dr. Brenner, heute bin ich nicht so fit. Sie wissen schon die Vögel, dieser Lärm, da kann man einfach nicht schlafen.
    Brenner hätte absolut kein Verständnis dafür. Weder für ihn noch für die Vögel. Schließlich lebte Brenner auch in der Stadt. Er liebte zwar Tiere über alles, was mit Sicherheit ein positiver Zug an ihm war, aber Schlaflosigkeit wegen lärmender Vögel? Vermutlich hätte er ihm die Schuld für dieses Problem gegeben. Klar, warum hatte Henry auch keine schalldichten Fenster und diese nachts zu allem Überfluss auch noch offen stehen? Trotzdem war Brenner in Ordnung. Er ließ einen frei arbeiten, mischte sich selten ein und stellte sich, wenn irgendwo einmal Fehler passierte, immer vor seine Leute. Aber er verlangte Disziplin und Arbeitseifer. Heute würde er ihn bei dem Vortrag treffen.
     
    Henry blickte wieder auf den Spalt im Fensterladen. Draußen wurde es immer heller, und man konnte bereits den Sonnenschein sehen, Nein, man konnte ihn förmlich riechen! Also zweifellos ein heißer Tag und er war sich jetzt sicher, dass der Wecker den Geist aufgegeben hatte. Er fixierte die digitale Anzeige. Nichts rührte sich. Sie stand noch immer auf 3 Uhr 30. Japan und seine elektronische Uhrenindustrie hatten kläglich versagt. Es gab keinen Zweifel mehr: Der japanische Zeitmesser hatte aufgehört, zu arbeiten. Nur merkwürdig, dass die digitale Anzeige nicht ganz erloschen war, sondern auf 3 Uhr 30 beharrte. So ähnlich, als wenn sich ein Computer aufgehängt hatte. Da war dann auch einfach der Bildschirm eingefroren und tat so, als ob alles in Ordnung wäre. Henry fiel ein, dass ja seine Armbanduhr auf dem Nachtkästchen lag. Warum war ihm diese Idee nicht schon früher gekommen? Wahrscheinlich waren die Gedanken am frühen Morgen doch nicht ganz frei. Völlig im Gegensatz zu dem Lied: Die Gedanken sind frei.
     
    Er tapste auf dem Nachttisch nach seiner Armbanduhr und warf dabei laut polternd die Lampe um, die er dort platziert hatte. Typisch. Wenn man ganz besonders leise sein will, wird es garantiert ganz besonders laut. Ein undefinierbares Grunzen seiner Frau war die Antwort. Aber letztendlich fand er sie dann doch. Leider war es im Zimmer noch zu dunkel, um die Zeit entziffern zu können. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als aufzustehen und an den Ladenspalt zu gehen, wenn er nicht das Licht anschalten und damit Gefahr laufen wollte, dass das Grunzen neben ihm zu einem stattlichen Brüllen anwuchs. Mühsam schälte er sich aus seiner Bettdecke und ging zum Fensterladen. Es dauerte etwas, bis er den richtigen Lichteinfallswinkel gefunden und das Ziffernblatt seiner Armbanduhr erkennen konnte. Henry musste zweimal hinsehen, bevor er begriff. Eigentlich hatte er es noch nicht begriffen, aber er konnte wenigstens gewiss sein, dass er keiner optischen Täuschung oder Halluzination unterlag. Auch seine Armbanduhr zeigte 3 Uhr 30. Und der Sekundenzeiger rückte keinen Millimeter weiter, so dass die Fehlfunktion augenscheinlich war. Komisch: Beide Uhren waren zur gleichen Zeit stehen geblieben. Die eine war ans öffentliche Stromnetz angeschlossen, die andere wurde von einer Batterie gespeist. Vermutlich auch wieder japanischen Ursprungs. War
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