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Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt
Autoren: Sue Grafton
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Fahrt.
    Vermutlich würden wir eine Zwei-Wagen-Kolonne bilden. Ich dachte an die Entführungen, die ich im Kino gesehen hatte, wo die Heldin das Fahrtziel später anhand des Geräuschs identifizierte, das die Reifen auf Eisenbahnschienen machten, oder anhand des Trötens eines Nebelhorns in der Ferne. Was ich hörte, war in erster Linie das angestrengte Atmen meines Aufpassers. Offenbar war keiner der beiden Typen gut in Form.
    Oder vielleicht durften Reba und ich uns auch zugute halten, dass wir uns heftiger zur Wehr gesetzt hatten, als sie erwartet hatten.
    Wir bogen links in den Cabana Boulevard ein und fuhren nur eine knappe Minute weiter, ehe wir langsam anhielten. Ich vermutete, dass wir an der Ampelkreuzung State und Cabana standen. Der Fahrer stellte das Radio an, und Musik erklang. » I want your sex … « , tönte der Sänger.
    »Stell den Scheiß ab«, verlangte mein neuer bester Freund.
    »Ich mag George Michael«, entgegnete der Fahrer. Doch das Radio verstummte.
    »Dreh dein Fenster runter und schau, was Beck will.«
    Ich malte mir aus, wie Becks Wagen auf der Spur neben uns stand, wo er durch Gesten das Herunterkurbeln signalisierte und sich zur Verständigung über den Beifahrersitz beugte.
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    »Okay, okay«, sagte unser Fahrer ärgerlich. »Schon kapiert.
    Ich mach’s ja!« Er wandte sich zu dem Kerl auf dem Rücksitz um.
    »Er hat die Schlüsselkarte, also müssen wir ihm nachfahren.
    Wie oft hat er uns das jetzt schon erzählt?«
    Aus der Ferne waren Sirenengeräusche zu vernehmen. Das Jaulen wurde immer lauter, bis es sich in zwei einzelne Sirenen aufteilte. Zwei Streifenwagen, o bitte!
    Ich versuchte den Kopf zu drehen, in der Hoffnung, durchs Fenster etwas zu erspähen, doch das brachte mir lediglich ein schmerzhaftes Reißen am Arm ein. Die Sirenen waren nun fast direkt neben uns. Ich sah das Blaulicht zweier Streifenwagen, die rasch hintereinander an uns vorbeifuhren. Die Sirenen dröhnten den Cabana Boulevard entlang und wurden immer leiser, bis man sie überhaupt nicht mehr hörte. Von nahender Hilfe konnte keine Rede sein.
    Wir bogen rechts ab, meiner Schätzung nach in die Castle Street. Als wir ein zweites Mal anhielten, tippte ich auf die Ampel an der Montebello Street. Mit etwa zwanzig
    Stundenkilometern fuhren wir weiter. Ich vernahm das hohle Geräusch, als die Straße unter dem Freeway hindurchführte. Auf der anderen Seite fuhren wir den Hügel hinauf, womit wir in der Granizo sein mussten. Dann links in die Chapel. Anscheinend waren wir auf dem Weg zu Becks Büro, das nun nur noch ein paar Straßen entfernt lag. Die Läden im Einkaufszentrum wären mittlerweile ebenso geschlossen wie die Bürogebäude. Die
    »Karte«, die der Fahrer erwähnt hatte, diente vermutlich dazu, die mechanische Sperre zur Tiefgarage zu öffnen. Und tatsächlich merkte ich, dass wir langsamer wurden, nach rechts abbogen und eine Rampe hinunterfuhren. Zu dieser Stunde war die Tiefgarage sicher leer. Wir fuhren durch den höhlenartigen Raum und in eine Parklücke. Beck musste direkt vor uns geparkt haben, da ich eine Tür ins Schloss fallen hörte, ehe unser Fahrer den Motor abgestellt hatte.
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    Ohne große Umstände wurde ich von der Rückbank gezerrt und auf die Beine gestellt. Ich hatte gehofft, Blickkontakt zu Beck aufnehmen, eine Verbindung herstellen zu können, da ich mir bessere Chancen ausrechnete, ihn erweichen zu können, als die Gorillas rechts und links von mir. Mit ungerührter Miene wich er meinem Blick aus. Wir warteten, bis er seinen Kofferraum geöffnet und den Rollenkoffer herausgeholt hatte.
    Die Seiten waren grau verkratzt und voller Sand, der sich angesammelt hatte, als der Koffer am Strand übers Pflaster gezerrt worden war. Der Griff war abgerissen. Beck legte den Koffer hin und kniete sich neben ihn. Er zog den Reißverschluss auf und klappte den Deckel weg.
    Leer.
    Ich riss die Augen auf, als hoffte ich, dadurch die Machart eines Zaubertricks zu durchschauen. Reba hatte mir den Computer doch gezeigt. Vor weniger als einer Stunde war er noch im Koffer gewesen – wohin war er nun verschwunden?
    Die einzige Zeit, die wir getrennt gewesen waren, waren die paar Minuten gewesen, die ich sie vor den Garagen hatte warten lassen, während ich mein Auto holte. Sie musste meine Abwesenheit genutzt haben, um den Computer herauszunehmen und ihn im Kofferraum ihres Wagens einzuschließen. Das hieß, dass sie Becks Verrat geahnt hatte und ihm zuvorgekommen war. Ebenso musste er gewusst
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