Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
haben?«
    »Niemals«, sagte sie. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer sie sind oder was sie von mir wollen.«
    Er starrte sie an. Sie klang viel zu entschieden. Natürlich wusste sie mehr, als sie ihm sagte. Beide schwiegen in all dem Lärm um sie herum. Sie schwankten und schaukelten in dem dahinpolternden Lieferwagen. Reacher starrte in die Dunkelheit. Er konnte spüren, wie Holly dicht neben ihm Entscheidungen traf. Sie drehte sich wieder seitlich zu ihm herum.
    »Ich muss Sie loswerden«, sagte sie erneut.
    Er warf ihr einen Blick zu, sah dann wieder weg und grinste.
    »Soll mir recht sein, Holly«, sagte er. »Je früher, desto besser.«
    »Wann wird jemand Sie vermissen?«, fragte sie.
    Das war eine Frage, auf die er vorgezogen hätte, keine Antwort zu geben. Aber sie sah ihn scharf an, wartete. Und so dachte er darüber nach und sagte ihr die Wahrheit.
    »Nie«, entgegnete er.
    »Warum nicht?«, fragte sie. »Wer sind Sie, Reacher?«
    Er sah zu ihr hinüber und zuckte die Schultern.
    »Niemand«, sagte er.
    Sie fuhr fort, ihn fragend und leicht spöttisch zu mustern. Vielleicht sogar irritiert.
    »Okay, was für eine Art von Niemand?«, fragte sie.
    Er hörte Memphis Slim vor seinem inneren Ohr: Got me working in a steel mill .
    »Ich bin Türsteher«, sagte er. »In einem Club in Chicago.«
    »Was für einem Club?«, fragte sie.
    »Eine Blues-Kneipe an der South Side«, erwiderte er. »Sie werden sie nicht kennen.«
    Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. »Türsteher?«, sagte sie. »Für einen Türsteher gehen Sie das aber recht cool an.«
    »Türsteher geraten ziemlich oft in alle möglichen Situationen«, meinte er.
    Sie wirkte so, als ob sie nicht überzeugt wäre, und er senkte den Kopf auf seine Armbanduhr, um nachzusehen, wie spät es war. Halb drei Uhr nachmittags.
    »Und wie lange dauert es, bis jemand Sie vermisst?«, fragte er.
    Sie sah auf ihre Uhr und verzog das Gesicht.
    »Eine ganze Weile«, erklärte sie dann. »Ich habe eine Fallbesprechung, die heute Nachmittag um fünf losgeht. Vorher nichts. Zweieinhalb Stunden, bis jemand auch nur merkt, dass ich nicht mehr da bin.«

4
    Im Rahmen des Zimmergerüsts im ersten Obergeschoss nahm ein zweites Gerüst Gestalt an. Es wurde aus neuen, kräftigen Balken, fünf mal zehn Zentimeter stark, auf konventionelle Weise zusammengenagelt. Bald sah es so aus, als würde innerhalb des alten Zimmers ein neues Zimmer entstehen, nur dass dieses neue Zimmer in jeder Richtung um etwa einen Fuß kleiner sein würde, als das alte gewesen war. Dreißig Zentimeter kürzer, dreißig Zentimeter schmaler und dreißig Zentimeter niedriger.
    Der neue Unterbau für die Bodenbretter sollte dreißig Zentimeter über dem alten Boden angeordnet werden, wozu man jeweils fünfundzwanzig Zentimeter lange Pflöcke aus dem neuen Holz benutzte. Diese waren inzwischen angebracht und sahen aus wie ein Wald aus kurzen Stelzen, bereit, den neuen Boden zu tragen. Weitere kurze Pflöcke warteten darauf, die neue Wandverkleidung in dreißig Zentimeter Entfernung von der alten Wand zu halten. Das neue Gerüst strahlte in dem hellen Gelb von neuem Holz und leuchtete vor dem honigfarben verräuchert wirkenden alten Gebälk. Das sah aus wie ein altes Skelett, aus dem plötzlich ein neues Skelett herauswuchs.
    Drei Männer waren damit beschäftigt, das neue Gerüst zu errichten. Sie balancierten geschickt von einem Balken zum nächsten und wirkten wie Männer, denen diese Art von Arbeit nicht neu war. Und sie arbeiteten schnell. Der Vertrag, den sie unterschrieben hatten, verlangte, dass sie rechtzeitig fertig wurden. In dem Punkt hatte der Auftraggeber keine Zweifel an seinen Wünschen gelassen. Eile war geboten. Die drei Zimmerleute beklagten sich nicht darüber. Der Auftraggeber
hatte ihr erstes Angebot akzeptiert. Es war ein Angebot mit viel Luft gewesen, eines, das durchaus Platz zum Feilschen ließ. Aber der Mann war daran nicht interessiert gewesen. Er hatte überhaupt nicht gefeilscht. Er hatte bloß genickt und ihnen gesagt, sie sollten sofort, nachdem der Abrisstrupp mit seiner Arbeit fertig war, anfangen. Arbeit war schwer zu finden, und noch schwerer war es, Auftraggeber zu finden, die auf das erste Angebot eingingen. Also waren die drei Männer glücklich und zufrieden und bereit, hart zu arbeiten, schnell zu arbeiten, und das bis spät in die Nacht hinein. Sie waren bemüht, einen guten Eindruck zu machen. Schließlich brauchten sie sich bloß umzusehen, um zu erkennen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher