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Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Ausgeliefert: Roman (German Edition)

Titel: Ausgeliefert: Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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dass es hier noch eine ganze Menge mehr zu tun gab.
    Und deshalb strengten sie sich nach Kräften an. Sie rannten mit ihren Werkzeugen und frischem Holz treppauf, treppab. Sie arbeiteten mit Augenmaß, markierten die Schnittstellen im Holz mit dem Daumennagel und ließen ihre Sägen und Nagelschussgeräte heißlaufen. Aber sie hielten häufig inne, um den Abstand zwischen dem alten Gerüst und dem neuen zu messen. Der Auftraggeber hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass dieses Maß von kritischer Bedeutung war. Der Abstand zwischen dem alten Gebälk und dem neuen betrug dreißig Zentimeter.
    »Okay?«, fragte der eine Zimmermann den Vorarbeiter.
    »Ideal«, sagte der. »Genau, was er verlangt hat.«

5
    Holly Johnsons auf siebzehn Uhr angesetzte Fallbesprechung sollte in dem Konferenzzimmer im zweiten Stock des Chicagoer FBI-Büros stattfinden. Das war ein großer Raum von etwa sechs mal zwölf Metern, den eine lange, polierte Tafel mit dreißig Stühlen, fünfzehn auf jeder Seite, mehr oder weniger ausfüllte. Die Stühle waren massiv und mit Leder bezogen, und der Konferenztisch bestand aus gutem Hartholz, aber jede sonstige Ähnlichkeit mit dem Sitzungssaal eines Wirtschaftsunternehmens wurde durch die schmuddelige Tapete und den billigen Teppich zunichte gemacht. Auf dem Boden lagen etwa siebzig Quadratmeter Teppich, aber die ganzen siebzig Quadratmeter hatten wahrscheinlich weniger gekostet als ein einziger Sessel.
    Siebzehn Uhr an einem Sommernachmittag, und die Nachmittagssonne brannte durch die Fenster an der einen Wand herein und ließ den Leuten, die in dem Sitzungssaal eintrafen, nur eine zweifelhafte Wahl. Wenn sie sich gegenüber der Fensterfront setzten, schien ihnen die Sonne ins Gesicht; sie mussten während der ganzen Besprechung die Augen zusammenkneifen und hatten am Ende quälende Kopfschmerzen. Und die Sonne war mächtiger als die Klimaanlage; wenn sie also mit dem Rücken zum Fenster saßen, wurden sie so aufgeheizt, dass sie sich unbehaglich fühlten und deshalb Sorge bekamen, ob ihr Deodorant um fünf Uhr nachmittags noch wirkte. Eine schwere Wahl, aber die bessere Entscheidung war, die Kopfschmerzen zu vermeiden und das Risiko des Sichaufheizens einzugehen. Also setzten sich die früh Eingetroffenen auf die Plätze an der Fensterseite.
    Als erster erschien der FBI-Anwalt, der speziell für Finanzstraftaten zuständig war, in dem Raum. Er stand einen Augenblick lang in der Tür und überlegte, wie lange die Besprechung wohl dauern würde. Vielleicht eine Dreiviertelstunde, dachte er, weil er Holly kannte, also drehte er sich um und versuchte zu beurteilen, welcher Platz wohl in den Genuss des Schattens von der schmalen Säule gelangen würde, die die Fensterwand in zwei Teile teilte. Der Schattenstreifen lag links von dem dritten Sessel in der Reihe, und der Anwalt wusste, dass er sich im Laufe der Zeit in Richtung auf das Kopfende des Tisches verschieben würde. Also lud er seinen Stapel Akten vor dem zweiten Sessel auf dem Tisch ab, schlüpfte aus seinem Jackett und dokumentierte seinen Anspruch auf den Platz, indem er das Jackett auf den Sessel fallen ließ. Dann drehte er sich wieder um und schlenderte zu der Anrichte am Ende des Raums, um sich dort eine Tasse Kaffee aus der Filtermaschine zu holen. Als Nächstes trafen zwei Agenten ein, die in Fällen tätig waren, die möglicherweise mit dem in Verbindung standen, den Holly Johnson bearbeitete. Sie nickten dem Anwalt zu und nahmen zur Kenntnis, welchen Platz er sich ausgewählt hatte. Natürlich wussten sie, dass es wenig Sinn machte, eine Wahl unter den anderen vierzehn Stühlen am Fenster zu treffen. Die würden alle in gleicher Weise der Hitze ausgesetzt sein. Also ließen sie ihre Aktentaschen einfach auf die zwei Plätze daneben fallen und stellten sich um Kaffee an.
    »Ist sie noch nicht da?«, fragte einer von ihnen den Anwalt.
    »Ich habe sie den ganzen Tag noch nicht gesehen«, antwortete er.
    »Schade, was?«, meinte der andere.
    Holly Johnson war neu, aber sie war talentiert, und das machte sie populär. In der Vergangenheit hätte es dem FBI überhaupt keinen Spass gemacht, die Art von Geschäftsleuten auffliegen zu lassen, für die Holly zuständig war, aber die Zeiten hatten sich geändert, und das Chicagoer Büro war inzwischen auf den Geschmack gekommen. Diese Geschäftsleute sahen jetzt wie Kotzbrocken aus, nicht wie solide Bürger, und die Agenten waren es leid, sie sich anzusehen, wenn sie in den
Vorortszügen nach
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