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Ausgeliebt

Titel: Ausgeliebt
Autoren: Dora Heldt
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bisschen und schlief viel.
    |19| Einmal in der Woche musste ich zu Bernd. Dort war nach wie vor meine Büroadresse, an die meine gesamte Post geschickt wurde.
    Bernd ging mir aus dem Weg. Blieb er zu Hause, ging ich zu Marleen, die bereits Umzugskartons für mich und einen Hamburger
     Stadtplan für sich besorgt hatte.
    Sie hatte ihre Scheidung hinter sich und half mit unerschütterlichem Optimismus.
    »Schätzchen, in einem halben Jahr lachst du drüber.«
    Mittlerweile wussten alle Bescheid. Viele gingen mir aus dem Weg, was mich verwunderte. Vielleicht hatten sie Angst, dass
     Trennungen ansteckend wirkten.
    Auch von Antje hatte ich wenig gehört. Es fiel mir auf, als Marleen mich eines Freitagabends, als ich bei ihr in der Küche
     saß, nach ihr fragte.
    Es war Anfang April. Ines und Leonie hatten eine Wohnung für mich entdeckt, die ich auch bekommen hatte. Neunzig Quadratmeter,
     Terrasse, Kamin, Balkon vor der Küche. Sie lag ziemlich genau zwischen Ines und Leonie, zu jeder der beiden fuhr ich 15   Minuten. Mir war dadurch sehr viel leichter ums Herz. Deshalb störte mich auch Marleens Frage nicht.
    »Antje hat so viel zu tun. Kinder, Job, du kennst das doch. Sie hilft mir beim Umzug, hat sich schon für den Fünfzehnten freigenommen.«
    »Ich finde das nur komisch. Sie ist deine beste Freundin und du hast seit sechs Wochen nichts von ihr gehört. Weiß sie eigentlich,
     dass du die Wohnung hast?«
    »Das erzähle ich ihr morgen. Karola hat Geburtstag, da fahre ich dann hin. Und, Marleen, ich weiß, dass du Antje nicht besonders
     magst. Du kennst sie nur nicht richtig.«
    Sie antwortete nicht. Ich hatte das Gefühl, sie wollte mir was sagen. Ich fragte nicht danach, sie sagte nichts weiter.
     
    Als ich am nächsten Tag mit einem Geburtstagsgeschenk in der Hand zum Auto ging, folgte Bernd mir.
    |20| »Wo willst du denn hin?«
    »Karola hat heute Geburtstag. Sie wird zehn.«
    »Hast du Zeit, zum Kindergeburtstag zu gehen? Ich dachte, du willst packen.«
    »Sie ist mein Patenkind. Das Packen schaffe ich schon noch. Ich habe noch zwei Wochen Zeit.«
    »Na, musst du wissen.«
    Bernd drehte sich um und ging ins Haus zurück. Vielleicht bereute er diese Entscheidung doch schon. Ich verstand seinen Unmut
     nicht, sonst schien er froh zu sein, wenn er mich nicht im Haus sehen musste.
    Als ich bei Antje klingelte, öffnete Karola die Tür und sprang mir sofort an den Hals.
    »Da bist du ja endlich, bist du wieder gesund? Ist das für mich? Darf ich sofort aufmachen?«
    Antworten waren nicht nötig, der Flur war plötzlich voll mit zehnjährigen Mädchen, die alle durcheinander brüllten.
    Ich schlängelte mich an ihnen vorbei und ging in die Küche.
    Antje stand vor dem Herd und rührte konzentriert in einem Topf. Sie hob kurz den Kopf, um mir zuzunicken.
    »Hallo, Christine, wie geht es?«
    Dann vertiefte sie sich wieder in das neben ihr liegende Rezept.
    Ich war verblüfft.
    »Hallo, Antje, nicht besonders, was ist denn mit dir los?«
    »Ach, du weißt doch, mich stressen diese Kindergeburtstage immer so, bin den ganzen Vormittag durch die Stadt gerannt, meine
     Füße tun vielleicht weh, und dann diese Kathleen, diese Freundin von Karola, dieses fette Kind, die hat eine Stimme.«
    Sie plapperte wie eine aufgezogene Puppe, lauter banale Sätze, sah mich nicht einmal an.
    Ich ging zu ihr und schob den Zettel mit dem Rezept weg.
    »Habe ich irgendwas falsch gemacht?«
    Jetzt sah sie mich verblüfft an.
    »Nein, äh, es ist nur, ach, das ist ja überhaupt toll, dass du |21| eine Terrasse hast, dann kannst du ja den Strandkorb mitnehmen.«
    Mir wurde plötzlich ganz kalt. Erst war es nur ein Gefühl, dann fing mein Hirn an zu arbeiten.
    Sie starrte jetzt in den Topf.
    »Antje?«
    Sie schwieg und rührte.
    Ich nahm meine Tasche und meine Jacke, ging ins Kinderzimmer, um mich von Karola zu verabschieden. Sie packte mit Hingabe
     ihre Geschenke aus, lachte ihre Freundinnen mit strahlenden Augen an.
    Ich ging.

|22|

    Der Anfang
    Ines saß auf ihrer Werkzeugkiste und hebelte mit ihrem Feuerzeug den Kronkorken hoch. Sie sah erst Dorothea, dann mich mit
     triumphierendem Lächeln an.
    »Neun Minuten.«
    Dorothea nickte ihr zu und rieb sich die Blase an ihrem Zeigefinger.
    »Unter zehn. Ich hab’s gewusst.«
    Ich war mit einer vollen Bücherkiste ins Wohnzimmer gekommen und verstand nichts.
    »Was ist in neun Minuten?«
    Ines setzte die Flasche an den Mund, trank in langen Zügen, setzte ab, sah mich wieder
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